Tobe Hooper

Rhapsodie in Blut:

Die Tobe Hooper Story, Teil 2

von Harald Dolezal & Markus Janda

Nach POLTERGEIST legte Tobe Hooper eine unfreiwillige künstlerische Pause ein, während der er an einigen vielversprechenden Projekten arbeitete. Zunächst einmal wechselte er das Genre und realisierte zusammen mit dem Ex-Generation X-Sänger Billy Idol das hervorragende Musikvideo DANCING WITH MYSELF. Außerdem bereitete er für Twentieth Century Fox einen modernen Fantasy-Stoff namens THE LIGHTS vor, ein Projekt, von dem man nie wieder etwas gehört hat. Dann sollte er den Zombie-Streifen RETURN OF THE LIVING DEAD inszenieren. Nach zahlreichen Vorarbeiten wurde die Regie jedoch dem Drehbuchautoren Dan O'Bannon (ALIEN) übertragen, der seine Chance nutzte und ein mehr als gelungenes Regie-Debüt ablieferte.

Als ob wir nicht schon genug Ärger mit unseren irdischen Untoten hätten, plagen uns in Hoopers nächstem Film LIFEFORCE auch noch außerirdische Vampire: Im Schweif des Halleysehen Kometen macht die Besatzung des Space Shuttles "Churchill" eine unglaubliche Entdeckung - ein fremdes, zwei Meilen langes Raumschiff. In Inneren des Schiffs entdecken die Astronauten drei menschenähnliche Wesen in gläsernen Särgen und bringen sie an Bord der "Churchill". Bei der Ankunft auf der Erde ist die Besatzung tot und das Shuttle durch ein Feuer völlig verwüstet. Die Särge, die das Feuer unbeschadet überstanden haben, werden in ein Forschungslabor gebracht. Dort erwachen die Außerirdischen, zwei Männer und eine Frau, zum Leben und man stellt fest, daß es sich bei ihnen um Vampire handelt, die den Menschen die Lebensenergie aussaugen. Wer den Aliens in die Hände fällt, wird selbst zum Vampir und muß seinerseits auf Menschenjagd gehen, um zu überleben. Wenig später wird eine Rettungskapsel der "Churchill" gefunden. Carlsen, einer der Astronauten, hat überlebt und berichtet von grausigen Vorfällen, die sich auf der "Churchill" zugetragen haben. Carlsen steht mit der weiblichen Vampirin in geistigem Kontakt. Diese Verbindung will das Militär nutzen, um die Vampirin, die zwischenzeitlich aus dem Labor entflohen ist, wieder einzufangen. Während man fieberhaft nach ihr sucht, werden immer mehr Londoner Bürger zu Vampiren und die Stadt an der Themse droht im Chaos zu versinken...

Die Dreharbeiten zu dieser Vampir-Oper begannen am 6. Februar 1984. Gedreht wurde in den EMI Elstree Studios, wo zuvor schon Filme wie STAR WARS und SUPERMAN entstanden. Das Drehbuch zu LIFEFORCE schrieb Dan O'Bannon. Für die Visual Effects wurde John Dykstras Trickfirma Apogee verpflichtet, die sich mit ihren gelungenen Effekten für KAMPFSTERN GALACTICA, STAR TREK und FIREFOX für diesen Auftrag empfohlen hatte. Die Masken entwarf Nick Maley, der u.a. auch an INSEMINOID, KRULL und BRITANNIA HOSPITAL mitgewirkt hatte. Trotz dieser Fachleute kam LIFEFORCE beim großen Publikum nicht an. Ich möchte dieses Werk aber jedem Genre-Fan ans Herz legen und bitten, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Nach LIFEFORCE inszenierte Hooper ein Remake von INVADERS FROM MARS. Bereits das Original aus dem Jahre 1953 war eigentlich kein richtiger Klassiker, sondern eher ein unterhaltsamer SF-Baddie. Hooper versuchte der abgeschmackten Story einen modernen Touch zu geben: Der elfjährige David Gardner hat eines nachts ein furchterregendes Erlebnis. Er sieht ein Raumschiff auf den Hügeln hinter seinem Elternhaus landen. In den folgenden Tagen versucht er vergeblich, Eltern und Freunde vor der drohenden Gefahr zu warnen. Nach und nach werden alle Bewohner der Stadt von den Außerirdischen übernommen. In letzter Sekunde gelingt es David, gemeinsam mit einer Lehrerin das Militär zu verständigen, das mittels modernster Geräte den Marsianern den Garaus macht. Die gute Kameraarbeit, die sehenswerten Special Effects von John Dykstra und die charmanten Big Mäc-Burger-Monster vom Mars können zwar einen verregneten Abend retten, zum Eintrag in die Filmgeschichte reicht's dann aber doch nicht ganz. Zumindest in dieser Hinsicht hat sich Hooper eng an Cameron Menzies Original gehalten.

Bevor der Zahn der Zeit endgültig an Tobe Hooper zu nagen begann, raffte dieser sich noch einmal auf, um uns einen wahrhaft mörderischen Arschaufreißer zu servieren. Schon seit den späten 70er Jahren wollte er ein Sequel zu THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE drehen. Doch erst 1984, als er mit der Produktionsfirma Cannon einen Vertrag über drei Filme abschloß, wurde das Projekt spruchreif. Da Cannon Hooper freie Bahn ließen, wurde TCM 2 eine der vergnüglichsten, temporeichsten und ganz einfach geilsten Fortsetzungen im phantastischen Genre.

Zu Beginn sehen wir zwei Yuppies, die mit ihrem Wagen irgendwo in Texas übers Land fahren und dabei mit einem Revolver auf Verkehrsschilder ballern. Über das Autotelefon unterhalten sich die beiden gleichzeitig mit dem weiblichen Diskjockey einer lokalen Radiostation. Plötzlich taucht neben ihnen ein Wagen mit zwei seltsamen Gestalten auf. Der eine davon, unser alter Freund Leatherface, spielt mit seiner Kettensäge das Lied vom Tod. Die Yuppies werden gekillt, ihre Schreckensschreie werden dabei via Autotelefon live im Radio übertragen. Der Ex-Texasranger Lefty Enright (gespielt vom nicht sonderlich gut aufgelegten Dennis Hopper), dessen Neffen von Leatherface und Familie 1974 ermordet wurden, heftet sich an Leatherface Fersen und setzt sich zunächst mit der Radio-Moderatorin in Verbindung, in der Hoffnung, Neues über die untergetauchte Kannibalen-Sippe zu erfahren. Als die Familie von ihrem unfreiwilligen Radioauftritt Wind bekommt, machen sich Leatherface und Chop Top auf, um die Station zu zerstören. Dabei bleibt es freilich nicht. Einem Radio-Techniker wird der Schädel (ca. 15 Mal) eingeschlagen (das hatten wir übrigens im ersten Teil auch schon mal). Die Moderatorin wird dagegen entführt und in das unterirdische Versteck der Maniacs gebracht. Lefty Enright, der den Unterschlupf ausfindig machen konnte, bewaffnet sich unterdessen mit zwei Kettensägen und dringt in das Gewölbe ein. Es kommt zum ungewöhnlichen Showdown.

Mit seinem Comicstripartigen Humor (man denke nur an den Kampf der Kettensägen) und vielen Rednecks ist der zweite Teil zwar nicht so eiskalt wie der erste, aber beinahe ebenso bösartig und sadistisch - und deutlich blutiger. Tom Savini, König der Göre-Effekte, feierte hier eine wahre Blutorgie, so daß TCM 2 vermutlich nie in einer deutschen Fassung auf dem Markt erscheinen wird.

1987 wurde Hooper ein weiteres Mal fürs Fernsehen tätig. Er drehte die Auftakt-Episode zur Serie FREDDY`S NIGHTMARES, die gleichzeitig auch die schwächste einer ohnehin schon sehr lahmen Reihe ist. 1988 kündigte der Low-Budget-Produzent Charles Band auf der Film-Messe MIFED großspurig an, daß Hooper für ihn als nächstes den Film FLOATER inszenieren würde - was sich letztlich nicht bewahrheiten sollte. Zur selben Zeit lief in den Staaten Hoopers aktuellstes Werk SPONTANIOUS COMBUSTION an, mit sehr mäßigem Erfolg und von viel Kritikerhäme begleitet In dem Film geht es um ein Experiment, daß die Amerikaner zu Beginn des Atomzeitalters durchführen und bei dem ein Mann und eine Frau einer Atomexplosion ausgesetzt werden, um fetszustellen, welche Auswirkungen eine solche Detonation auf den menschlichen Körper hat Nachdem festgestellt wurde, daß die beiden den Versuch scheinbar schadlos überstanden haben, führt das Paar wieder ein ganz normales Leben. Schließlich wird die Frau schwanger und bringt einen Sohn zur Welt Kurz nach der Geburt werden die Eltern jedoch von der Vergangenheit eingeholt und es zeigt sich, daß das Experiment allerschlimmste Folgen hat: Sowohl Mummy als auch Daddy verbrennen in einer "spontanious human combustion".

Viele Jahre später merkt der erwachsene Sohn, daß mit ihm ebenfalls etwas nicht stimmt Sobald er sich aufregt, schießt nämlich eine Stichflamme aus seinem Ellenbogen. Die gesamte Ärzteschaft steht mal wieder vor einem Rätsel und kratzt sich ungläubig am Kopf. Als unser Held eigene Nachforschungen anstellt, findet er heraus, daß er die ganzen Jahre über nur als Spielball für eine Handvoll Atomwissenschaftler diente, die ihn nach dem Tod seiner Eltern für ihre miesen, ungerechten Spielchen mißbrauchten. Brauchbare Effekte und ein noch brauchbarer Brad Dourif in der Hauptrolle genügen leider nicht, um aus SPONTANIOUS COMBUSTION einen wirklich guten Film zu machen. Dafür belegt der Streifen Hoopers Geschick als Langfinger. Mit FIRESTARTER, SCANNERS, RE-ANIMATOR und PHILADELPHIA EXPERIMENT hat er immerhin gleich vier Filme erfolgreich beklaut!

Anfang der 90er Jahren stürzte Hooper endgültig in die Bedeutungslosigkeit ab. Für mehrere Jahre wurden die TV-Anstalten zu seinen Hauptauftraggebern. Es entstanden belanglose Fernsehspiele wie I AM DANGEROUS TONIGHT (1990) mit dem abgehalfterten Anthony Perkins in der Hauptrolle oder der relativ blutige Episodenfilm BODY BAGS (1993), der aber im Grunde eher John Carpenter zuzurechnen ist, der bei zwei der drei enthaltenen Geschichten Regie führte.

1993 kehrte Hooper mit TOBE HOOPER'S NIGHTMARE in die Kinos zurück, einem kruden Streifen, in dem Robert Englund einen Urenkel des Marquis De Sade mimt, der die hübsche Tochter eines Archäologen in einen sado-erotischen Zirkel in Alexandria, Ägypten, einführt. In einigen Rückblenden ist Englund sogar als Marquis De Sade selbst zu sehen, was dem Film freilich auch nicht weiterhilft.

Zwei Jahre später drehte Hooper THE MANGLER, nach einer Geschichte von Bestseller-Autor Stephen King. Ted Levine spielt in dem Film einen abgefuckten Cop, der ständig flucht und Drogen einwirft und ewig braucht, bis er merkt, daß eine riesige Maschine in einer Wäschereinigung besessen ist und am liebsten Jungfrauen zu Hackfleisch verarbeitet. Neben Ted Levine, der durch sein konsequentes Overacting hervorsticht, tritt erneut Robert Englund auf, wieder in einer Doppelrolle, wieder wenig überzeugend.

Mittlerweile ist es um Tobe Hooper ziemlich still geworden. Zwar wurde er kurzzeitig als Regisseur des Zahnarzt-Schockers THE DENTIST gehandelt, doch dessen Produzent Brian Yuzna zog es schließlich vor, selber Regie zu führen. Die letzte, bekanntere Arbeit von Hooper war der Pilotfilm zur Mysterie-Serie DARK SKIES, der vor anderthalb Jahren auf dem hiesigen Fantasy Filmfest vorgeführt wurde - vermutlich für lange Zeit die letzte Kinoauffuhrung eines Tobe Hooper-Films.

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 7, November 1997