Earl Warren

Der Mann, der Corinna Sandberg war

Interview mit dem Schriftsteller Earl Warren

von Ivo Scheloske

Ich weiß noch, als ich früher die verschieden Romanserien, sei es JOHN SINCLAIR, LARRY BRENT, etc., gelesen habe, war es einer meiner größten Wünsche, einmal die Leute kennenzulernen, die hinter Pseudonymen wie Dan Shocker, Jason Dark, Neal Davenport oder eben auch Earl Warren (alias Walter Appel) steckten. Da sich der Wunsch bis heute gehalten hat, war ich auch sehr erfreut darüber, einen der Autoren der DÄMONENKILLER-Reihe interviewen zu können.

Ich treffe mich mit Walter Appel am Frankfurter Römer. Schnell ist eine Kneipe ausgemacht, in die wir einkehren, und obwohl statt dem Frankfurter Stammgetränk Äpplwoi nur Bitter Lemon gereicht wird, entwickelt sich schon bald ein lebhaftes Gespräch, in dessen Verlauf sich mein Interviewpartner nicht nur als waschechter Hesse herausstellt, sondern mir auch die Augen darüber öffnet, daß die typischen Groschenheftautoren mitnichten Großverdiener vom Schlage eines John Grisham sind, sondern genauso hart arbeiten müssen wie du und ich, um sich selbst und ihre Familie ernähren zu können. Das macht sie mir nur noch sympathischer.

 

Zuerst würde ich gerne etwas über Sie selbst erfahren. Wann wurden Sie geboren? Wie war Ihr Werdegang? Warum haben Sie sich entschlossen, Autor zu werden?

Ich wurde am 24.04.1948 in Seligenstadt geboren. Ich habe das Gymnasium bis zur mittleren Reife besucht, danach bin ich zur Handelsschule gegangen und habe eine Lehre als Kaufmann gemacht. Danach war ich erstmal als kaufmännischer Angestellter tätig, habe auch mal im Außendienst gearbeitet. Seit 1973 arbeite ich hauptberuflich als Autor.

Und wie kam es zu dieser Entscheidung?

Es fiel mir schon immer leicht, gute Aufsätze zu schreiben. Eine ausgeprägte Fantasie hatte ich auch. Irgendwann habe ich mich richtig reingekniet und hatte auch gleich Erfolg. Klar, am Anfang, so mit 16 oder 17, hatte ich auch so meine Probleme, speziell mit dem Durchziehen der Handlung. Da hatte ich meist 20 Anfänge, die nie zu einem Ende geführt haben. Zum Glück gab sich das mit der Zeit. Dann habe ich mir überlegt, was ich denn so schreiben will und bin zuerst einmal auf den Western gekommen. Die erschienen mir recht einfach. Ich habe mich dann an G.F. Unger orientiert und einfach mal zwei, drei Stück geschrieben, ohne Exposé, und reichte die ein. Die sind natürlich abgelehnt worden. Irgendwann habe ich mich dann aufgerafft und verschiedene Verlage angerufen, ob die Autoren suchen, was denn so bezahlt wird und wie so ein Manuskript denn überhaupt aussehen muß. Richtig in die Branche reingebracht hat mich der Helmut Rellergerd (Jason Dark). Der war damals schon Redakteur bei Bastei, hatte aber noch Zeit, sich nebenbei um Talente zu kümmern. Heute hat er diese Zeit nicht mehr. Mit ihm habe ich heute noch Kontakt. Seit 1973 arbeite ich also hauptberuflich als Autor.

Für welche Romanserien haben Sie geschrieben?

Oh Gott, da fragen Sie mich etwas. Auf 30 komme ich sicherlich. Da müßte ich mal in Ruhe nachdenken. Bei manchen Serien, speziell bei Western, waren das nur 2, 3 Stück Bei JERRY COTTON hingegen habe ich an die 100 Stück geschrieben. Wieviel es bei DÄMONENKILLER waren, weiß ich gar nicht mehr. Bei LASSITER waren es auch jede Menge.

Können Sie uns auch mal ein paar Pseudonyme nennen, unter denen Sie geschrieben haben?

Himmel, ich habe so im Laufe der Zeit zwei Dutzend Pseudonyme verbraten. Klar, unter Earl Warren habe ich viel geschrieben, auch unter Roy Kent. Dann so Serienpseudonyme wie bei LASSITER: Jack Slade. Auch unter Linda Warren bei den Mitternachtsromanen. Oder auch Frank Evans bei der FLEDERMAUS und KOMMISAR X. Dann habe ich auch Frauenromane geschrieben, z.B. als Corinna Sandberg. Wie gesagt, so 20 waren es bestimmt Manche allerdings auch nur aus reiner Verlegenheit, weil halt die Leute aus den Verlagen gemeint haben, wenn alles unter dem einen Pseudonym veröffentlicht wird, würden die Leser meinen, es gäbe keine anderen Autoren. Ich selbst habe das mit den Pseudonymen nie sehr gemocht. Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte das alles unter meinem Namen schreiben können. Auch wegen des Bekanntheitsgrades. Ich meine, von der Vermarktung her ist das ganze auch blöd. Jason Dark ist im Prinzip kein Pseudonym, sondern ein Künstlername. Oder nimm z.B. Roy Black. Der heißt ja mit bürgerlichem Namen Gerd Höllerich. Da ist Roy Black auch kein Pseudonym, sondern ein Künstlername. Und genauso sehe ich das mit Jason Dark.

Ich denke das hängt aber auch mit der Vermarktung zusammen. Im gesamten Unterhaltungsbereich werden Namen gerne anglisiert.

Sicher, aber meiner Meinung nach schießen sich die Verlage selbst ins Bein. Es ist doch so, daß ein Großteil der Leserschaft nach Autoren kauft. Die kaufen Konsalik, die kaufen Un-ger. Und meinen Sie, daß Konsalik so einen großen Erfolg gehabt hätte, wenn er unter 20 verschiedenen Pseudonymen geschrieben hätte?

Wohl kaum. Bei den vielen Romanen, die Sie geschrieben haben: Gab es da ein Genre, für welches Sie am liebsten geschrieben haben. Und eines, welches Sie gar nicht gemocht haben? Ich stelle es mir beispielsweise sehr schwer vor, Frauenromane zu schreiben.

Also, spezielle Vorlieben habe ich eigentlich nicht, und außer Arzt- und Landser-Romanen habe ich ja auch schon alles geschrieben. Ich habe immer versucht ... nein, ich habe es auch geschafft, vielseitig zu arbeiten. Und die beiden vorgenannten könnte ich wohl auch schreiben. Aber das sehe ich nicht ein, die liegen mir einfach nicht, speziell die Landser-Romane, die immer wieder von Kämpfen in Rußland und so handeln - in die Kerbe muß ich nicht hauen. Und für Arzt-Romane hat sich halt nie die Gelegenheit ergeben. Ja, und Pornos, die schreib ich auch nicht. Muß nicht sein.

Was haben Sie in der Zeitspanne zwischen der Einstellung der DÄMONENKILLER-Serie und der jetzigen Neuauflage des Zaubermond-Verlages gemacht?

Gegessen, getrunken, geschlafen (lacht). Nein, nein, ich habe natürlich für viele andere Serien geschrieben. Wie auch schon vorher, denn nur vom DÄMONENKILLER alleine hätte ich nicht leben können. Dann hatte ich über drei Jahre lang auch noch eine Immobilienfirma laufen.

Wann wurden Sie zum ersten Mal auf die Mitarbeit an der Neuauflage vom DÄMONENKILLER im Zaubermond-Verlag angesprochen?

Das war irgendwann 1996. Da kam Herr Götz auf mich zu und sprach mich auf eine eventuelle Mitarbeit an. Ich habe zuerst einmal etwas zurückhaltend reagiert, denn schließlich muß ich als Profi-Autor von meinem Job leben und kann nicht auf Verdacht Romane für irgendeinen Amateur-Verlag schreiben, wenn ich nicht weiß, was dabei rüberkommt.

War das das erste Mal, daß man Sie auf einen Neuauflage von DÄMONENKILLER angesprochen hat?

Ja.

Wer schreibt die Exposés und werden diese in Absprache mit den Autoren verfaßt?

Wieso Autoren? Zur Zeit schreibe ich die Serie ganz alleine. Klar, die Bände bis Nr. 30 waren Nachdrucke bereits erschienener Romane, aber 31 ist komplett von mir, 32 wird auch komplett von mir sein, über die Bände 33 und 34 wird noch verhandelt.

Liegen noch die Exposés der alten Serie vor?

Bis Band 32 liegen sie noch vor, ja. Wobei ich den 30-jährigen-Krieg-Zyklus bereits 1986 geschrieben habe. Der umfasst 10 Bände und die brauchte ich jetzt nur noch zu überarbeiten. Wie die Serie weiterlaufen soll, das wird untereinander abgesprochen, aber das sind Verlagsinterna.

Unterscheidet sich Ihre Arbeitsweise heute von der von früher? Hatten Sie früher mehr Mitspracherecht an der Serie?

Früher hatte ich weniger Mitspracherecht, denn früher hat das ja alles der Ernst Vlcek in Absprache mit dem Kurt Luif konzipiert Ich habe nur hier und da ein paar Vorschläge unterbreitet und Figuren entworfen. Aber den größten Teil haben der Ernst und der Kurt, die ja beide in Wien bzw. in der Nähe von Wien wohnen und sich daher auch gut kennen, zusammen erstellt.

Und wie frei sind Sie jetzt in der Gestaltung der Serie, speziell was Sex und Gewalt angeht, da ja die Serie früher aufgrund gewalttätiger Schilderungen indiziert wurde? Werden Ihnen hierbei Vorschriften gemacht?

Ich bilde mir ein, daß ich nach 25 Jahren in diesem Beruf gelernt habe, was ich bringen kann und was nicht. Ganz klar, früher haben wir strenge Vorgaben für den Heftroman von der FSK bekommen. Aber auch die haben sich mit der Zeit gewandelt. In den 70er Jahren hatten wir ziemlich viel Ärger mit diesen Typen. Das lag aber ganz einfach daran, daß die bei Filmen und Büchern nicht viel machen konnten, bzw. machen durften. Bei den Heftromanen konnten sie dagegen einschreiten. Ich bin der Meinung, das wurde nur als Tätigkeitsnachweis gemacht, damit die überhaupt was vorweisen konnten. Mittlerweile haben die mit dem Videomarkt und speziell der härteren Gangart von Pornos so viel zu tun, daß die die Heftromane gar nicht großartig jucken. Früher, da konntest du noch nicht einmal schreiben, daß, wenn auf jemanden geschossen wurde, der in die Schulter getroffen wurde. Auf den wurde geschossen und entweder er war tot oder verwundet. Ausführlicher durftest du nicht werden. Dann hat sich ja auch der Markt extrem verändert, ist stark ausgedünnt worden, hervorgerufen durch die große Anzahl an Fernsehserien, Videofilmen und Computerspielen. Dieser Markt kommt meines Erachtens auch nicht wieder. Klar, heute hätte ich die Möglichkeit, weitaus härter zu schreiben, aber irgendwo will ich ja auch den Charakter der Serie wahren und muß daher auch nicht gleich das Blut spritzen lassen.

Sehen Sie Unterschiede zwischen dem DÄMONENKILLER und etablierten Serien wie JOHN SINCLAIR?

Hm, Unterschiede zwischen DÄMONENKILLER und SINCLAIR. Nun, zum einen ist der Dämonenkiller wesentlich innovativer durch die verschiedenen Leben des Dorian Hunter oder auch dadurch, daß Coco Zamis eine gebürtige Hexe ist. Während Sinclair, obwohl eigentlich ein ganz anderer Bereich, doch starke Anlehnungen an die COTTON-Reihe hat. Ob das nun der Held mit Beamtenstatus ist, das sage ich jetzt vollkommen ohne Ironie, oder eben auch die Tatsache, daß eher kriminalistisch an die Sache herangegangen wird, bloß daß die Gegner eben keine gewöhnlichen Kriminellen sind.

Lesen Sie Romane von anderen Autoren, einfach so zum entspannen in der Freizeit?

Aufgrund meiner Tätigkeit habe ich gar nicht die Zeit, mich einmal einen halben Tag hinzusetzen und zu lesen. Wenn ich aber mal lese, dann das, was mich interessiert und das wechselt. Ich bin da wie ein Staubsauger, ich lese alles von der "Bild"-Zeitung bis Goethe und Shakespeare. Und das seit rund 40 Jahren.

Wann waren Sie das letzte Mal von einem Buch wirklich begeistert?

In der letzten Zeit haben es mir Biographien angetan. Dann lese ich auch noch viel Zeitgeschichtliches. Auch wegen meiner Arbeit. Dafür habe ich mir mittlerweile eine gute Nachschlagesammlung zusammengestellt. Auch was Reiseliteratur angeht. Da ich ja auch immer wieder über andere Länder und Städte schreiben muß. Das Schwierigste war für mich einmal, ein Flottenmanöver im Südpazifik nachzuvollziehen, so mit den Flugzeugträgern, der Kommandozentrale und so. Da muß man schon Literatur haben, wo man das nachschlagen kann. Ich lese natürlich auch, was die Konkurrenz so schreibt, ohne daß ich Konkurrenz jetzt bösartig meine. Und natürlich auch Magazine wie "Spiegel" und "Focus". Wie gesagt, in der letzten Zeit aber verstärkt Biographien, auch die von Hitler, dann viel über den 2. Weltkrieg wie "Unternehmen Barbarossa", "Verbrannte Erde", "Der Russland-Feldzug". Ich bin zwar kein Militarist, aber das hat mich halt interessiert. Ich habe schon immer gerne Geschichtliches gelesen. Über die Römer weiß ich sehr gut Bescheid. Im Mittelalter habe ich leider eine klaffende Lücke, die erst wieder beim 30jährigen Krieg aufhört. Dann habe ich in der letzten Zeit wieder verstärkt Konsalik gelesen. Eine Zeitlang habe ich auch fast alles von Hemmingway gelesen. Dann bin ich durch meine Frau auf russische Autoren gestoßen, wobei ich feststellen mußte, daß die deutschen Übersetzungen teilweise katastrophal sind. Das liegt sicherlich auch ein bißchen an den Veränderungen im Schreibstil, die es vom letzten Jahrhundert bis heute gegeben hat. Früher hat man viel ausladender, blumiger geschrieben. Heute schreibt z.B. Umberto Eco noch so. Bei DER NAME DER ROSE mußte ich ganze Passagen auslassen, die habe ich mir nicht angetan. Dann hat sich natürlich auch das Tempo verändert, was sicherlich auf die heutigen Filme und Videoclips zurückzuführen ist. Einem heutigen Video-Konsumenten kann man eben nicht mehr Adalbert Stifter vorsetzen, der drei Seiten über das Gänseblümchen schrieb.

Wie sieht ihr Verhältnis zu den Fans aus? Glaubt man den FANTASTIC NEWS, dann sind Fans und Autoren so etwas wie eine große Familie.

Also, die Fans überlasse ich gerne Uwe Schnabel, ich muß mich auf das Schreiben konzentrieren. Ich gehe zwar auf Veranstaltungen wie die Buchmesse, aber sonst läuft da nicht viel. Ein bißchen Kontakt herrscht natürlich schon und ich bin auch daran interessiert, was die Fans meinen. Aber im Endeffekt richtet sich alles nach der verkauften Auflage, denn nur von ein paar Fans, die die Serie über den grünen Klee loben, kann keine Serie leben.

Kommen wir auf die zukünftigen Plänen von Ihnen zu sprechen. Liegen Ihnen Angebote vor, auch mal Hardcover-Bücher zu veröffentlichen? Speziell unter Ihrem eigenem Namen.

Ich habe schon Romane unter eigenem Namen veröffentlicht. Na ja, und der DÄMONENKILLER - Band31 ist ja schließlich ein Hardcover-Band. Ich habe zwei, drei Mal versucht ein Buch über ein literarisches Thema zu verkaufen. Das letzte Mal sogar recht intensiv über anderthalb Jahre hinweg. Ich habe das Buch an viele Verlage geschickt, aber es kam immer wieder zurück. Irgendwann habe ich's dann abgehakt. Meine Stärken liegen halt mehr im phantastischen- oder actionorientierten Bereich, und das muß sich erstmal als Hardcover verkaufen. Ich kann mich schließlich nicht ein Jahr hinsetzen wie Clive Cussler und nur an einem Buch schreiben, ich muß ja auch Geld verdienen. Deutsche Verlage sind sehr festgefahren, was ihre Auswahl angeht. Wenn Sie mal in die Bestsellerlisten vom "Stern" schauen, finden Sie da fast nur Autoren, die sich in Amerika und England gut verkauft haben. Die großen Verlage machen halt die Milchmädchenrechnung, daß Autoren, die sich in Amerika gut verkaufen, auch in Deutschland gut abgesetzt werden können. Wenn ich denen erzähle, daß ich bereits 700 Romane geschrieben habe, interessiert die das genauso viel, als wenn ich denen sagen würde, ich bin bei der Freiwilligen Feuerwehr. Auf der anderen Seite beschweren sie sich aber, daß es keine deutschen Nachwuchsautoren gibt. Allerdings bekommt ein großer Verlag im Jahr auch bis zu 1.500 Manuskripte reingereicht. Wer will denn die alle lesen? Die gehen doch meist mit einem Formschreiben wieder zurück. Ich selbst schau' gerade, was für Möglichkeiten sich als Drehbuchautor ergeben. Vielleicht sogar bei irgendeiner Daily Soap, ich bin schließlich gewöhnt unter Streß zu arbeiten. Da wäre sowas vielleicht genau das richtige für mich.

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 7, November 1997