Prom Night

PROM NIGHT

Ein Rückblick

von Gregor Ries

Zu den zahlreichen Epigonen, die der Erfolg von John Carpenters HALLOWEEN Ende der Siebziger nach sich zog, gehörte auch Paul Lynchs PROM NICHT. Was damals produziert wurde, zählt gewiß nicht zum Schlechtesten im Horrorgenre. Auch PROM NIGHT war in gewisser Weise tonangebend für die nächsten Jahre, als reihenweise amerikanische Teenager von irgendwelchen irren Schlitzern in abgelegener Umgebung gemeuchelt wurden. Lynchs Produktion mag eine der ersten Varianten dieses Subgenres sein, aber originell war das Sujet im Entstehungsjahr 1979 längst nicht mehr. Seinen Stellenwert kann man allerdings schon daran erkennen, daß in Wes Cravens Slasher-Hommage SCREAM reichlich PROM NIGHT- Ausschnitte verwendet wurden.

Paul Lynch ist einer der Regisseure, deren Karriere im Laufe der Jahre eher abwärts ging. Begonnen hat der Kanadier mit kritischen Autorenfilmen wie der pessimistischen Musikerbiografie WEG OHNE ZIEL (1976). Mit PROM NIGHT, gedreht als US-Produktion in Toronto, deutete sich sein Übergang zum Genrekino an. Auch Lynchs nächste Werke entstanden in Kanada und wurden hierzulande nur auf Video veröffentlicht, wovon BLINDSIDE (1987) mit Harvey Keitel als ehemaliger Abhörspezialist, der in eine Intrige gerät, noch das bekannteste ist. Danach wandte sich der versierte Handwerker leider dem US-Fernsehen zu und produzierte nur noch langweiligen Durchschnitt. Sein ROBOCOP-Pilotfilm, ein uninspirierter Abklatsch des Verhoeven-Originals, oder NO CONTEST 2 für den Videomarkt stellen Lynchs bisherige Tiefpunkte dar. PROM NIGHT, der einzige Paul Lynch-Film, der die deutschen Kinos erreichte, zeigt ihn als Regisseur, der die Muster des Spannungskinos perfekt beherrscht. Vier Kinder, drei Mädchen und ein Junge, treiben beim Versteckspiel in einem leerstehenden Haus die kleine Robin in den Tod. Die Tat wird nie aufgeklärt und landet als vermeintliches Sittlichkeitsverbrechen in den Akten. Sechs Jahre später bereiten sich die wahren Verantwortlichen auf ihre Schulabschlußfeier, die "Prom Night", vor. Nick (Casey Stevens), der beteiligte Junge, soll zusammen mit Robins Schwester Kim (Jamie Lee Curtis) den Tanz eröffnen, was unter den Mitschülern zu Mißgunst führt. Kims Vater, Schulleiter Mr. Hammond (noch ohne nackte Kanone: Leslie Nielsen), sieht sich gezwungen, ihren eifersüchtigen Ex-Freund wegen wiederholter Vorfälle der Schule zu verweisen. Niemand ahnt allerdings, daß die damalige Tat einen Zeugen hatte, der Rache schwört und ausgerechnet in der "Prom Night" zuschlagen wird.

Lynchs Thriller, hierzulande mit dem Untertitel "Die Nacht des Schlächters" ausgerechnet an Weihnachten 1980 gestartet (was zu hämischen Kritiker-Kommentaren führte) und auf Video kaum weniger reißerisch "Grauen ohne Namen" betitelt, dürfte bei Splatterfans heute eher Gähnen erzeugen. Jeder Actionfilm wartet inzwischen mit mehr Blut und Leichen auf. Der Killer schlägt erst nach einer Stunde zu, und seine meisten Morde blendet Lynch aus. Im Grunde zählt PROM NIGHT, der sich besonders in ausgedehnten Disco-Szenen als typisches Siebziger-Produkt entpuppt, eher zum Thriller-Genre. Die Eingangssequenz erzeugt durch Musik und Kameraperspektiven eine bedrohliche Atmosphäre, wobei die Kinder als kleine Monster charakterisiert werden. Danach portraitiert Lynch seine Protagonisten ausführlich und legt falsche Fährten, die allerdings leicht zu durchschauen sind. Daß der sonderliche Gärtner oder der entflohene Psychopath nicht für die Mordserie verantwortlich sind, läßt sich leicht erkennen. Die Angriffe werden langsam aufgebaut und immer wieder hinausgezögert. Dabei gelingt es den Autoren letztlich, die Zuschauer doch auf eine falsche Fährte zu führen, obwohl die Auflösung eigentlich naheliegend ist.

Gewiß gibt es an der Konstruktion einiges zu bemängeln: Warum schlägt der Rächer erst nach sechs Jahren zu? Warum sind alle Schauplätze auf einmal menschenleer, wenn der Killer in Aktion tritt? Zudem sind die Akteure für Schüler doch etwas zu alt - Jamie Lee Curtis, die hier in ihrem zweiten von insgesamt fünf Horrorfilmen auftrat, war bei den Dreharbeiten immerhin schon zwanzig. Trotzdem kann sich PROM NIGHT auch heute noch als solider Horrorthriller sehen lassen, der all die Fehler vermeidet, welche bei den Fortsetzungen begangen wurden. Produzent Peter Simpson, der auch Lynchs BLINDSIDE finanzierte, wärmte Ende der Achtziger das Konzept noch dreimal auf, wobei er beim überflüssigen dritten Teil selbst Regie führte. Es versteht sich, daß die sogenannten Sequels mit dem Original außer dem Produzenten nichts gemein haben.

 

Prom Night - Die Nacht des Schlächters

  • (USA 1979)
  • Regie: Paul Lynch
  • Buch: William Gray nach einer Story von Robert Guza jr.
  • Kamera: Robert New
  • Musik: Carl Zittrer, Paul Zaza
  • Produktion: Richard & Peter Simpson
  • Darsteller: Jamie Lee Curtis,Casey Stevens, Eddie Benton, Michael Tough, Leslie Nielsen, Antoinette Bowei, u.a.

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 7, November 1997