Der Zauberlehrling
von Markus Janda
Das Filmgeschäft ist ein spontanes Geschäft. So spontan, daß der Interviewtermin, auf den man sich gestern noch fieberhaft vorbereitet hat, morgen schon wieder Makulatur sein kann. Wie in meinem Fall, als ich an einem ziemlich verschneiten Sonntagmorgen an der Eingangstür zum "Panasensor"-Filmstudio klingele und niemand öffnet. Ein Zettel klebt an der Tür: "Wir suchen zur Zeit keine weiteren Aushilfen". Eine Botschaft, die ganz offensichtlich nicht an mich gerichtet ist. Also gleich nochmal auf den Klingelknopf gedrückt. Keine Reaktion. "Kommen Sie am Sonntag um 10 Uhr vorbei", höre ich im Geist die Stimme des "Panasensor"- Chefs Bernd P. Kammermeier, "da habe ich Zeit." "Scheinbar ja doch nicht", denke ich mir und will schon gehen, als plötzlich ein Auto auf dem Firmenparkplatz hält und der Fahrer mich anspricht. Ob ich zu Herrn Kammermeier wolle?
Ich bestätige die Vermutung des jungen Mannes. Daraufhin erklärt der mir, daß er Praktikant bei "Panasensor" sei und auf Geheiß von Herrn Kammermeier mit mir einen Kaffee trinken gehen soll - dem Chef sei kurzfristig etwas dazwischen gekommen, würde aber nicht lange dauern. Da um die Uhrzeit noch kein Café offen hat, fahren wir kurzerhand zu ihm nach Hause. "Übrigens, ich bin der Ralph." Bei Kaffee und Christstollen kommen wir ins Plaudern. Ob er lange auf eine freie Praktikantenstelle bei "Panasensor" habe warten müssen, frage ich ihn, weil ich weiß, daß jeder Bewerber dort für gewöhnlich erst mal auf eine Warteliste gesetzt wird. "Nein", meint Ralph,"Ich bin aus den USA zurückgekommen und zwei Tage später war ich Praktikant"
"Ich habe denen allerdings schon vor meiner Fahrt nach Amerika gesagt, daß ich bei ihnen gerne ein Praktikum machen würde." Im übrigen sei die Arbeit in einem Filmstudio für ihn etwas völlig Neues. Er habe zwar vorher schon mal ein zweiwöchiges Praktikum beim ZDF gemacht ("Da bin ich mit verschiedenen Kamerateams rumgezogen."), ansonsten sei er aber in keinster Weise vorbelastet. Das Filmbusiness habe ihn früher auch gar nicht gereizt. Erst kurz vor dem Abitur sei er der Idee verfallen, sein Geld später mal beim Film verdienen zu wollen. Was er denn konkret werden wolle, will ich von ihm wissen. "Kameramann. Weil man da noch eher 'nen Job findet als wenn man beispielsweise Spezialeffekte macht."
Auch eine Ausbildung zum "Mediengestalter Bild & Ton" sei für ihn vorstellbar. Hauptsache, es geht um Film und Fernsehen. Kürzlich habe einer von der IHK bei "Panasensor" vorbeigeschaut, um festzustellen, ob sich das Studio zum staatlich anerkannten Ausbildungsbetrieb eignet. Die Chancen stünden ganz gut, meint Ralph. Er hoffe jedenfalls, daß er bei "Panasensor" eine Ausbildung machen könne - auch wenn er dort hauptsächlich im Umgang mit der Motion Control-Kamera geschult würde. Ob er da nicht aufs falsche Pferd setze, frage ich ihn. Schließlich sei die Motion Control-Kamera eine Trickkamera, mit der man Modellaufnahmen mache. Angesichts der fortschreitenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Computeranimation könnten Trickaufnahmen mit Modellen aber schon bald der Vergangenheit angehören. Ralph sieht das nicht so. "Das ZDF, für das wir gerade wieder was machen, will zum Beispiel weg von diesen ganzen Computereffekten. Die wollen Modelle, weil das irgendwie was besonderes ist." Außerdem sei er ja nach seiner Ausbildung bei "Panasensor" nicht zwangsläufig auf die Motion Control-Kamera festgelegt. Er spiele ohnehin mit dem Gedanken, später noch an einer Filmhochschule zu studieren, um sich ein breiteres Fachwissen anzueignen. Also keine Angst vor dem Rechner? "Der Computer ist eine Konkurrenz", meint Ralph. "Aber noch sind die Effekte nicht perfekt."
"Bei BABYLON 5 sieht man z.B. ganz genau, daß die Raumschiffe alle aus dem Computer kommen. Der Drache in DRAGONHEART war da schon viel besser gemacht. Aber da hat man beim Flügelschlag auch gesehen, daß da irgendwas nicht stimmt." Doch selbst wenn den Computerspezialisten eines Tages absolut realistisch wirkende Bilder gelängen, sehe er seinen Job nicht in Gefahr. Schließlich wolle er als Kameramann arbeiten. Daß er die dazu nötigen Fertigkeiten in einem Effektstudio beigebracht bekomme, sei reiner Zufall. Im weiteren Verlauf unseres Gesprächs, immer wieder unterbrochen von kurzen Anrufen im "Panasensor"-Studio, um festzustellen, ob Bernd Kammermeier mittlerweile eingetroffen ist, kommen wir zwangsläufig auf Filme und Fernsehserien zu sprechen. "STAR TREK gefällt mir gut", sagt Ralph. "Oder auch SPACE 2063." Die SIMPSONS finde er wunderbar schräg, "sowas mag ich. Ich stehe auch auf Fantasyfilme und so makabre Sachen wie FROM DUSK TILL DAWN." Mit reinen Splattertilmen könne er dagegen nicht so viel anfangen. Geht mir genauso. Inzwischen sind anderthalb Stunden vergangen und bei "Panasensor" geht noch immer niemand ans Telefon. Schade, denn meine Zeit ist heute ausnahmsweise mal sehr begrenzt. Also hake ich das Interview mit Bernd P. Kammermeier für heute ab, verabschiede mich von meinem sympathischen Gastgeber und mache mich auf den Heimweg.
Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 4, Februar 1997
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