E. Lourié Teil 2

D.U.V.L.N.

Eugene Lourié - Der Drachenbändiger von Hollywood (Teil 2)

von Markus Janda

Nachdem sein Regiedebüt PANIK IN NEW YORK so fulminant an den Kinokassen eingeschlagen hatte, sah sich Eugene Lourié in der Folgezeit mit zwei typischen Hollywoodphänomenen konfrontiert: Erstens rissen sich die Produzenten plötzlich um ihn. Zweitens hatte man ihn fein säuberlich in einer Schublade mit der Aufschrift "Dreht Saurierfilme" abgelegt. Daß ihm die Produzenten die Türe einrannen, war ihm durchaus angenehm. Daß sie ständig von Dinosauriern sprachen, dagegen nicht. Für Lourié waren die Dinos endgültig ausgestorben - er selbst hatte den letzten in New York zur Strecke gebracht.

Ohne es zu wollen, kam er 1958 schließlich doch wieder mit einer Urzeitechse in Berührung. Der Produzent Dave Diamond klopfte bei ihm an und offerierte ihm den Regiestuhl bei einem Film, in dem es um eine radioaktive Substanz gehen sollte, die auf dem Ozean treibt und zu einer Bedrohung für die Menschheit wird. Lourié hielt das für eine akzeptable Geschichte und stieg in das Projekt ein. Zu seinem Leidwesen konnten sich jedoch die Verantwortlichen der englischen Filmcompany Eros Films, die den Film mitproduzierten, nicht vorstellen, daß ein Film mit tödlichen, radioaktiven Strahlen in der Hauptrolle ein Erfolg werden könnte. Man wollte ein sichtbares Monster haben, am besten einen Dinosaurier. Lourié fügte sich in sein Schicksal und schrieb gemeinsam mit einem Freund einen ersten Drehbuchentwurf, der eine fast originalgetreue Kopie von PANIK IN NEW YORK war. Wieder wird ein prähistorisches Ungeheuer durch einen Atomversuch zum Leben erweckt, wieder läuft die Bestie in einer Großstadt Amok und wieder kommt das Militär zum todbringenden Einsatz. Der einzige Unterschied zu PANIK IN NEW YORK besteht in den Handlungsorten. Der Atomversuch findet nicht am Nordpol, sondern vor der Küste von Cornwall statt und die Stadt, die zerdeppert wird, heißt diesmal London und nicht New York.

Natürlich dachte Lourié nicht ernsthaft daran, diese erste Fassung zu verfilmen. "Ich sagte Dave Diamond, daß, nachdem die Verträge mit Eros Films unterzeichnet seien, das Skript noch einmal überarbeitet werden müsse. Das geschah nicht, und so wurde aus DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS tatsächlich nur eine Kopie von PANIK IN NEW YORK", erinnerte sich Lourié später in einem Interview. Freilich eine Kopie ohne die herrlichen Stop Motion-Sequenzen eines Ray Harryhausen, der zwar ursprünglich für die Effektarbeit engagiert werden sollte, dann aber nach dem Willen von Dave Diamond durch Pete Peterson und den Altmeister der Stop Motion-Animation, Willis O'Brien (KING KONG UND DIE WEISSE FRAU), ersetzt wurde. Eine Entscheidung, über die im nachhinein keiner der Beteiligten glücklich gewesen sein dürfte, denn laut dem Fachblatt "Science Fiction Times" bleiben die Spezialeffekte von DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS qualitativ sogar noch hinter den unbekümmerten Spielzeugschlachten eines GODZILLA-Films zurück. Lourié selbst sieht das nicht anders. "Die Animationen waren schlecht und das Tier sah furchtbar aus", so sein kritischer Kommentar.

DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS verschwand alsbald in der Versenkung, wie auch DER KOLOSS VON NEW YORK, den Eugene Lourié noch im selben Jahr drehte und der von einer nölenden Kritikerschar ruckzuck ins Abseits geschrieben wurde. "Der Film... (in dem ein junger Wissenschaftler, dessen Gehirn nach einem Unfall in einen Roboter verpflanzt wurde, zur Mordmaschine wird, als er feststellt, daß sein eigener Bruder sich an seine Frau heranmacht - Anm. d. Verf.) begibt sich so weit unter das Niveau, auf dem ein Film überhaupt erst Interesse weckt, daß er selbst einem jugendlichen, Schund-gewohnten Bumskinopublikum nur höhnisches Gelächter und unwilliges Murren zu entlocken vermag." (Zitat aus der "Filmkritik").

Seinen letzten Film inszenierte Eugene Lourié 1959. Diesmal mit gleich zwei Sauriern in der Hauptrolle. Doch obwohl der Russe sein Publikum in GORGO, so der Titel des Films, wieder durch die aus KING KONG und PANIK IN NEW YORK hinlänglich bekannten Monsterfilmszenarien scheucht, kann er für sich in Anspruch nehmen, zumindest im Finish eine erfrischende Änderung vorgenommen zu haben. Denn obschon das Militär erneut mit modernsten Vernichtungswaffen zum Einsatz kommt, überleben die Dinos den Film. Davor hat GORGO freilich kaum Innovatives zu bieten. Auf der Insel Nara fangen zwei Abenteurer einen über Nacht aufgetauchten Dinosaurier ein und verkaufen ihn an einen Londoner Zirkus. In Englands Hauptstadt wird Gorgo, wie der Saurier getauft wurde, schnell zum Großereignis. Doch dann macht die Nachricht die Runde, daß sich ein zweiter Riesensaurier auf London zubewegt. Wie sich herausstellt, ist Gorgo ein Jungtier, dessen Mutter nun auf der Suche nach ihrem Kind ist. Das Muttertier erreicht trotz heftigen Widerstandes die Stadt und sorgt für eine handfeste Panik. Schließlich gelingt es aber der Armee doch, die beiden Ungeheuer ins Meer zurückzutreiben.

Daß Drehbuch zu GORGO hatte Lourié zusammen mit seinem Freund Daniel Hyatt verfaßt, der ihm auch schon beim Skript für DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS assistiert hatte. "Ich traf mich mit den Gebrüdern King, die den Film produzierten, und sie erzählten mir, daß sie bereits einen Autoren im Auge hätten, der die Story schreiben sollte. Ich mochte seine Idee nicht und sagte ihnen, daß ich das Drehbuch mit meinem Freund Daniel Hyatt schreiben wolle. Den King Brothers gefiel unsere Geschichte. Sie hingen beide sehr an ihrer Mutter, und ich schätze, der Film gefiel ihnen, weil die Mutter kommt, um ihr Baby zu retten", beschreibt Lourié die Entstehung von GORGO.

Wie üblich sollte auch in GORGO eine Stadt von Rang und Namen der Zerstörungswut des Urweltmonsters zum Opfer fallen. Da sich die King Brothers für diesen Film mit einer japanischen Filmfirma zusammengetan hatten, fiel die Wahl natürlich zuerst auf Tokio. Als die Japaner überraschend das Handtuch warfen, richteten die Produzenten ihr Augenmerk auf Europa und entschieden, daß nach London (DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS) und Rom (DIE BESTIE AUS DEM WELTENRAUM) nun Paris an der Reihe sei, um von einer mächtigen Drachenklaue in Stücke gehauen zu werden. Die Idee wurde jedoch wieder verworfen, nicht zuletzt, weil ein deutscher Produzent den King Brothers anbot, den Film in seinem Studio in Berlin zu drehen, was möglicherweise die Verlegung der Handlung nach Deutschland erforderlich gemacht hätte. "Das Studio war jedoch zu klein für unsere Zwecke", erinnert sich Lourié. Der Film wurde schließlich in Irland gedreht, nachdem eine englische Produktionsfirma als Koproduzent in das Projekt eingestiegen war.

Im Gegensatz zu PANIK IN NEW YORK und DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS wollte Eugene Lourié diesmal auf den Einsatz der Stop Molion-Technik verzichten. Stattdessen sollten die Saurier von einem kostümierten Stuntman gespielt werden. Auf diese Weise würde er sofort sehen, ob eine Trickaufnahme gelungen war oder nicht, und könnte so verhindern, daß sein Film durch die im nachhinein eingefügten Stop Motion-Animationen womöglich noch ruiniert wurde, wie es bei DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS der Fall gewesen war. Damit sich der verkleidete Darsteller auch überzeugend bewegen konnte, orderte Lourié bei seinen Tricktechnikern ein besonders leichtes Kostüm.

Was ihm geliefert wurde, war dann allerdings das genaue Gegenteil. In ihrem Eifer hatten die FX-Experten nämlich einen Ganzkörperanzug entworfen, bei dem viele Körperfunktionen über eine Fernsteuerung kontrolliert wurden. Die Motoren, die zu diesem Zweck in dem Kostüm untergebracht waren, hatten ein gehöriges Gewicht, so daß Lourié froh sein konnte, daß sein Stuntman unter der Last nicht gleich zusammenbrach. Eine nuancierte Saurier-Darstellung, wie sie sich Lourie gewünscht hatte, war unter diesen Umstanden natürlich nicht mehr möglich. Dennoch war er mit dieser Lösung noch weitaus zufriedener als mit der wirren Idee, die einer der King Brothers äußerte, daß man doch einfach ein aufblasbares Gummimonster in Originalgröße auf einem Laster durch die Straßen von London fahren könne, um den Angriff der Riesenbestie zu simulieren!!!

Eine der größten Miniaturen, durch die der verkleidete Monsterdarsteller zu stapfen hatte, war die Themse - der Set nahm die größte Bühne der Londoner MGM-Dependance ein. Der Fluß war nicht sehr tief, nur etwa kniehoch. Dennoch hatte der Mann im Kostüm Probleme, mit den klobigen Saurierfüßen filmgerecht durchs Wasser zu pflügen. Also wurden die Füße kurzerhand angeschnitten und der Saurier watete in Tennisschuhen durch die Themse.

Die Produktion hatte auch noch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. So wußte man beispielsweise nicht, wie man die Szene in den Kasten bekommen sollte, in der der gefangene Gorgo durch London gefahren wird und es zu einem Menschenauflauf kommt. Bei einem Budget von nur dreihunderttausend Dollar konnte man unmöglich mehrere Hundert Statisten engagieren. Das dachten zumindest die King Brothers. Sie schlugen vor, daß man die wenigen originalgroßen Körperteile von Gorgo, die für spezielle Nahaufnahmen angefertigt worden waren, auf einen LKW lud, eine Plane drüberlegte, so daß man nicht sah, daß die geheimnisvolle Kreatur gar keinen Torso hatte, und damit durch London fuhr. Dem Laster sollte ein Wagen mit einem Orchester vorwegfahren. Dieser seltsame Umzug würde mit Sicherheit viele Leute anlocken, die man dann (kostenlos) mit versteckten Kameras filmen konnte. Der Plan hätte auch gewiß funktioniert, wenn die Londoner Polizei etwas großzügiger gewesen wäre und nicht von Lourié verlangt hätte, daß er seine Aufnahmen sonntags zwischen 7 und 8 Uhr machte. Lourié: "Es war ein kalter, trüber Sonntagmorgen. Wir packten Gorgos Kopf, eine Pranke und den Schwanz auf einen großen LKW und versteckten eine der Kameras im Inneren des Sauriers, um die Reaktion der Leute zu filmen. Aber niemand kam! Wir filmten nur leere Straßen und ab und zu ein paar gelangweilte Passanten, die sich fragten, was zum Teufel da los sei."

Obwohl die Aufnahmen gründlich mißraten waren, fand Lourié doch noch einen Weg, sie in den Film einzubauen. Er drehte mit mehreren Statisten einfach ein paar Einstellungen, in denen zu sehen war, wie die Londoner gespannt die Fernsehnachrichten verfolgten, in denen von Gorgos Ankunft in Englands Hauptstadt berichtet wurde und in denen eben genau die Bilder gezeigt wurden, die Lourié an jenem tristen Sonntagmorgen in der Londoner Innenstadt geschossen hatte. Nach GORGO arbeitete Lourié wieder vornehmlich als Art Director. Als FX-Unit Director setzte er für die Katastrophenfilme RISS IN DER WELT und KRAKATOA - DAS GRÖSSTE ABENTEUER DES LETZTEN JAHRHUNDERTS zwar noch einmal diverse Trickaufnahmen in Szene, einen kompletten Spielfilm inszenierte er aber nicht mehr. Eugene Lourié starb 1991.

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 4, Februar 1997