Jason Dark

Helmut Rellergerd ist Jason Dark

in

DER MANN MIT DER GOLDENEN FEDER

(Portrait & Interview)

von Ivo Scheloske

Jeder, der sich ein wenig in die deutsche (Heft-) Roman-Szene hineingelesen hat, kennt ihn. Und jeder, der an einem Wochenende auf der Frankfurter Buchmesse am Bastei-Stand vorbei kam, hat ihn schon mal gesehen - umlagert von Fans, den Stift zum signieren in der Hand. Nein, die Rede ist nicht von Konsalik, sondern von Helmut Rellergerd alias Jason Dark, Autor der weltgrößten Horror-Romanserie "John Sinclair". So toll sich das ganze auch anhört, über die Fan-Szene hinaus ist der Name Jason Dark nie bekannt geworden. Und das, obwohl Rellergerd seit über 25 Jahren im Geschäft ist.

Geboren am 25.01.1945 in Dahle/Altena, aufgewachsen in Dortmund, lebt Rellergerd mittlerweile in der selben Stadt, in der auch der Bastei-Verlag residiert. Schon während seiner Zeit beim Bund fing er an, Romane zu schreiben und an Verlage einzusenden - sie wurden alle abgelehnt. Ein Krimi, genauer der Cliff-Corner-Roman "Im Kreuzfeuer der Todesdrachen" bildete den Grundstein für seine Autorenkarriere. Kurz darauf stieg er beim Bastei-Verlag ein und schrieb wie viele seiner Kollegen für mehrere Serien, u.a. auch für "Jerry Cotton".

Als der Bastei-Verlag 1973 eine Grusel-Serie ins Leben rufen wollte und dafür Autoren suchte, sah Rellergerd seine Chance, das thematisch stark eingegrenzte Gebiet des Krimis zu verlassen und ins phantastische Genre zu wechseln. Mit seinem Roman "Die Nacht des Hexers" hatte er nicht nur die Ehre, den ersten Roman der "Gespenster-Krimi"-Reihe (die mittlerweile genauso wie die Nachfolge-Serie "Dämonen-Land" eingestellt wurde) zu schreiben, sondern auch gleichzeitig die Figur des Geisterjägers John Sinclair einzuführen.

Über fast fünf Jahre hinweg wuchs eine immer größer werdende Fangemeinde des Geisterjägers heran, was Bastei schließlich dazu veranlaßte, "John Sinclair" auszukoppeln. Ein weiser Entschluß, ist die Serie doch auch heute noch das beste Pferd im Stall. Andere Serien, die aus dem "Gespenster-Krimi" ausgekoppelt wurden, wie z.B. "Tony Ballard", hat Bastei mittlerweile wieder eingestellt. Bei Sinclair dagegen kam zu der Erstauflage erstmal eine Taschenbuchreihe hinzu und aufgrund der großen Nachfrage noch eine Zweitauflage, in welcher auch die ersten 50 Bände aus dem "Gespenster-Krimi" nochmals erschienen. Das reichte jedoch nicht aus. Eine Dritt- und Viertauflage mußte her. Inzwischen wurde die Dritt-Auflage zugunsten einer "John Sinclair"-Taschenheftreihe eingestellt, in der sämtliche Romane als Sammleredition erscheinen. Im Herbst 1997 wird in der "John Sinclair"-Reihe der 1000. Band erscheinen. Zum Jubiläum soll u.a. eine CD-ROM mit einem "John Sinclair"-Spiel veröffentlicht werden. Schon im April dagegen wird auf RTL die erste (und längst überfällige) "John Sinclair"-Verfilmung mit dem Titel DÄMONENHOCHZEIT über unsere Fernsehschirme flimmern, ein Ereignis, auf das Helmut Rellergerd, selbst ein ausgewiesener Filmfan (Lieblingsregisseure:  Romero, Carpenter, DePalma) , besonders stolz ist. Eben diese Verfilmung nahm unser guter Ivo Scheloske zum Anlaß, um sich einmal ausführlich mit Helmut Rellergerd über den Geisterjäger zu unterhalten.

 

Auf Ihrer Visitenkarte steht die Berufsbezeichnung "Redakteur". Was macht ein Redakteur im Bastei-Verlag, bzw. was machen Sie, wenn Sie nicht gerade schreiben?

Ein Redakteur im Bastei-Verlag kauft Romane an für Serien, er bearbeitet sie und schickt sie in die Druckerei. Plant die Geschichten ein, macht Titel, sucht Bilder aus. Aber ich schreibe eigentlich nur, beantworte Leserbriefe, recherchiere ein bißchen.

Schreiben Sie "John Sinclair" immer noch alleine?

Ja, sicher.

Die Serie läuft mittlerweile über 20 Jahre. Sind immer noch Leser aus den Anfangstagen dabei?

Ja, das wundert mich immer. Die Leser sind natürlich älter geworden. Da gibt es einmal den Typ Leser, der relativ früh anfängt, so mit 15-16 Jahren, dann aufhört und dann nach einigen Jahren wieder einsteigt. In erster Linie Frauen. Ich habe 40% Leserinnen. Und dieser Typ des Lesers ist am treuesten. Wenn sie verheiratet sind, wenn sie Kinder haben, die Kinder etwas größer sind, da hat man wieder etwas mehr Zeit, ich bekomme wahnsinnig viel Post von diesen Leserinnen. Vor allem aus dem Osten, aus den neuen Bundesländern. Die sind mir ebenfalls treu geblieben. Nach diesem Boom vor sechs Jahren, wo ja alles gekauft wurde, begann man wieder zu selektieren, da gingen dann sehr viele Serien Pleite.

Ist "John Sinclair" immer noch die größte Horror- Romanserie der Welt?

Ja, das trifft immer noch zu. Ich kenne auch keine andere. Auch nicht in Amerika, wo das Romanheft eigentlich gar nicht mehr auf dem Markt ist.

Wie hoch ist denn die Auflage von "John Sinclair"?

Bei der Erstauflage 80.000 Stück pro Woche, dann kommen noch 40.000 von der 2. Auflage dazu und nochmals 30.000 von der 5. Auflage, der Sammler-Edition im Taschenheft. Die haben einen Erfolg, das hat mich gewundert. Trotzdem die jetzt schon zum 5. Mal erscheinen, haben sie andere Serien wie "Vampira" geschlagen.

Und "Vampira" ist nun auch nicht gerade unbeliebt. Sehen Sie "Vampira" eigentlich als Konkurrenz zu "John Sinclair"?

Nein, überhaupt nicht. Ich weiß es von den Zahlen her und bin mir außerdem sicher, daß das Thema Vampire eigentlich zu schmal, zu eng ist. Ich kann mich in meiner Serie mehr ausbreiten. Außerdem muß man dort mit dem Jugendschutz aufpassen.

Was halten Sie denn vom weitaus höheren Sex-Anteil der "Vampira"-Reihe? Haben sich die rigiden Zensurbestimmungen gelockert?

Ja, das mit dem Sex kann gefährlich werden. Denn im Prinzip haben sich die Zensurbestimmungen nicht gelockert, man setzt nur andere Prioritäten. Zur Zeit jagt man mehr Videospielen hinterher. In der Richtung wird ebenfalls was zu "Sinclair" erscheinen, kommenden Herbst - die erste CD-ROM. Eine ganz tolle Sache. Ein Spiel, bei dem nur die neueste Technik verwendet wird. Ein Lexikon wird es übrigens auch geben. Und dann noch ein "John Sinclair"-Comic. Vom Ballestar (!) gezeichnet. OK, Ballestar malt die Personen, ein anderer Zeichner übernimmt den Hintergrund. Die Story wird übrigens die erste Vampir-Trilogie sein. Das Comic wird aber noch vor der entsprechenden Verfilmung erscheinen - zur 1000. "Sinclair"-Nummer im September.

Wo wir gerade von "John Sinclair"-Nebenprodukten sprechen: Wenn ich durch die Kaufhäuser gehe, sehe ich die Hörspiel-Kassetten üherhaupt nicht mehr. Gibt es die nicht mehr?

Richtig, die wurden eingestellt. Es gab da mal Ärger mit dem Jugendschutz. Da hat eine Frau, die ihrem sieben- oder achtjährigen Kind eine von den Kassetten geschenkt hatte, was ich übrigens vollkommen unverantwortlich finde, Krach geschlagen, weil das Kind plötzlich Angst bekommen hat. Das zog dann Konsequenzen nach sich, die ich nicht ganz verstehe. Schließlich waren ja auch die Kassetten vom Jugendschutz abgesegnet.

Sind Sie eigentlich enttäuscht darüber, daß zuerst das Fernsehen wegen einer "John Sinclair"-Verfilmung auf Sie zugekommen ist und nicht ein Kinofilmproduzent?

Nein, enttäuscht eigentlich nicht. Wer würde es schon wagen, so etwas ins Kino zu bringen.

Wie kam es überhaupt zu der Produktion und welche Rolle spielten Sie dabei? Auf dem Info-Fax, das wir von RTL erhielten, wird Ihr Name nicht einmal genannt.

Nun, das ganze lief ja über die Firma Endemol. Die meldeten sich bei uns und mit denen wurde gesprochen. RTL ist der Geldgeber. Bei Endemol gibt es den Produzenten, den Herrn Zimmermann, der in seiner Jugend über 500 "Sinclair"-Romane gelesen hat. Der war davon sehr angetan. Dann haben wir uns aus den vielen Romanen einen ausgesucht - "Der Voodoomörder" -, der in Deutschland spielte. Das Team konnte somit auch in Deutschland drehen. In und um Köln. Und es wurde ein entsprechend hohes Budget freigegeben, so daß der Film, bei dessen Dreharbeiten ich einige Male war, recht ordentlich wird.

Also wurde die Entscheidung, den Film in Köln spielen zu lassen, obwohl doch 60 bis 70% der Serie in England spielen, aus Budgetgründen getroffen?

Ja, das war eben im Moment eine Preisfrage gewesen. Irgendwie habe ich noch mitbekommen, daß in England auch gewerkschaftliche Probleme hinzugekommen wären. Und man wollte ja in 6 Wochen fertig sein. Die nächsten Teile werden aber wahrscheinlich in Spanien gedreht.

Sind die dann auch vom Thema her dort angesiedelt?

Ja, ja. "Die Horrorreiter".

Eine Reminiszenz an DIE NACHT DER REITENDEN LEICHEN?

Nein, das hat damit nichts zu tun. Um Gottes willen, dieser alte Schinken - da kann man doch heute nur noch drüber lachen.

Waren RTL/Endemol eigentlich die ersten, die wegen einer "Sinclair"-Verfilmung an Sie herantraten?

Nein, es kamen schon einige Firmen auf mich zu. Aber das liegt einige Jahre zurück. Die wollten aber kaum Geld ausgehen und dachten an eine Billigproduktion. Das habe ich natürlich nicht zugelassen und der Verlag auch nicht, da waren wir uns einig.

Glauben Sie, daß der Erfolg von AKTE X dazu beigetragen hat, daß sich RTL entschlossen hat, ein deutsches Pendant zu drehen?

Ich weiß es nicht, ich könnte es mir aber vorstellen. Allerdings wird es bei JOHN SINCLAIR keine Serie geben wie AKTE X. Ich spreche jetzt da speziell die Folgenlänge an. Wenn, dann werden es immer 90-Minuten-Filme werden.

Hatten Sie ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Schauspieler und der Crew?

Nein, leider nicht. Aber ich hin mit dem Regisseur Klaus Knoesel (HIGH CRUSADE) sehr zufrieden Auch die Schauspieler gefallen mir sehr gut, bis auf denjenigen, der Kommissar Mallmann spielen sollte. Da haben wir dann den Rollennamen geändert, der heißt jetzt Kommisar Krüger.

Denken Sie, daß ein "John Sinclair"-Roman im Fernsehen überhaupt adäquat umgesetzt werden kann, speziell im Hinblick auf gewalttätige Szenen und Spezialeffekte?

Also, für die Effekte, u.a. fliegt ja der ganze Kölner Dom in die Luft, hat man sich Emmerichs Leute geholt, die ja auch schon an INDEPENDENCE DAY mitgearbeitet haben. Ansonsten sind auch noch sehr viele Außenaufnahmen gemacht worden. Die Gewalt ist nicht so exzessiv wie z.B. bei DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER, der ja bei uns ab 16 lief, es fließt nicht viel Blut. Dafür gibt es mehr Action, tolle Szenen, z.B. brennt eine ganze Burg. Aber der Film kann schon zur Prime Time gesendet werden. Der Gewaltanteil ist vergleichbar mit dem von AKTE X. Nur, daß bei SINCLAIR die Fälle gelöst werden, während bei AKTE X ja immer so ein Unbehagen bleibt.

Wird es zu DÄMONENHOCHZEIT ein Buch zum Film geben?

Ja, das Buch habe ich auch schon geschrieben. Erscheint im April, zeitgleich mit der Ausstrahlung auf RTL.

Wenn Sie zurückblicken auf das Jahr 1996: welcher Film hat Sie am meisten beeindruckt, bzw. am besten unterhalten?

Oh,... laß mal sehen. Da hat mir nicht gefallen INDEPENDENCE DAY. Sehr gut dagegen hat mir THE ROCK gefallen. Gut gefallen hat mir auch auch... warte mal, wie hieß der gleich? Da spielen Kurt Russel und Steven Segal mit. Segal stürzt zum Glück gleich ab. Richtig, EINSAME ENTSCHEIDUNG. Und sehr gut fand ich CLUB DER TEUFELINNEN mit Bette Middler. Da war ich wohl der Quotenmann gewesen. Bis auf drei Männer nur Frauen. Und das Kino war ausverkauft. Bloß im Bereich des phantastischen Films habe ich nichts gesehen. INTERVIEW MIT EINEM VAMPIR war, glaube ich, der letzte phantastische Film, den ich im Kino gesehen habe.

Vielen Dank für das Interview und noch viel Erfolg mit "John Sinclair".

 

Kommentar:

Nun ist es also soweit: Geister-Jäger John Sinclair hat seinen ersten Filmauftritt. DÄMONENHOCHZEIT heißt der Streifen und ist einschlägigen Berichten zufolge ein Konglomerat aus hundert verschiedenen ,"Sinclair"-Romanen, obwohl sich die Macher ursprünglich nur ,"Der Voodoo-Mörder" als Vorlage herausgepickt hatten. Daß Sinclairs Filmdebut gruselig ausfällt, daran zweifelt wohl niemand. Bei einem Geldgeber wie RTL bedarf es dazu nicht einmal eines besonders erschreckenden Sujets. Mehrere Werbeblöcke, eine auf regelmäßige Unterbrechungen ausgerichtete Inszenierung, noch dazu von einem Regisseur wie Klaus Knoesel, der vor längerer Zeit mit seinem unsäglichen HIGH CRUSADE unangenehm aufgefallen ist, und ein Hauptdarsteller, der aussieht, als sei er gerade der Serie KÖLN 90210 entsprungen, dürften allein schon für Gänsehaut sorgen. Da lohnt sich der Griff zum Filmbuch, denn zwischen den Coverdeckeln kann sich die Geschichte um mehrere, rätselhafte Mordfälle in Köln völlig ungestört entwickeln und John Sinclair bleibt ein kerniger Recke mit blondem Haar.

Markus Janda

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 4, Februar 1997