Henenlotter

Henenlotter

von Harald Dolezal

Dies ist die Geschichte von einem, dessen Namen man einmal hört und dann wieder vergißt. Die Rede ist von Frank Henenlotter, einem Mann, der uns unheimliche Zwillinge, explodierende Nutten und sogar einen tödlichen Blow Job (mittels penisförmigem Parasiten) auf der Leinwand serviert. Wir widmen uns nun einem wahrhaftigen Filmarchäologen, der nicht nur sein ganzes Leben damit zubringt, obskure und verschollene Filmraritäten aufzufinden, sondern sogar selber solche obskuren Trashfilme dreht.

Frank Henenlotter wurde 1950 in New York geboren und wuchs in Long Island auf. Er verbrachte seine Jugend mit Drive-In-Kinos und billigen Monsterfilmen. Der erste Film, den er überhaupt sah, war VALLEY OF THE ZOMBIES. Es folgte THE WOLF MAN (sowas muß einen ja prägen). Bereits im Alter von 14 Jahren begann Frank Henenlotter Super-8-Filme zu drehen. Diese hatten schon so krankhafte Titel wie GORILLA QUEEN, LURID WOMEN oder SON OF PSYCHO. Leider ist über diese Filme nur sehr wenig bekannt. Etwas mehr Informationen sind da schon zu seinem ersten 16 mm-Streifen SLASH OF THE KNIFE überliefert. Der Film wurde sogar im Kino ausgewertet. SLASH OF THE KNIFE lief als Midnight Movie im Double Feature mit PINK FLAMINGOS in New York. Nach relativ kurzer Zeit wurde Henenlotters Erstling abgesetzt, weil er zu brutal und extrem war. Und das, obwohl SLASH OF THE KNIFE neben dem perversen Meisterwerk von John Waters gezeigt wurde. Unvorstellbar!

Während der Dreharbeiten zu SLASH OF THE KNIFE lernte Henenlotter den Produzenten Edgar Levins kennen. Dieser war selbst ein begeisterter Filmfanatiker, der früher schon mit Stop-Motion-Effekten herumexperimentierte. Die beiden wollten zusammen Filme machen. Ein erstes gemeinsames Projekt hieß OOZE, in dem es um eine Seuche unbekannter Herkunft ging. Daraus wurde jedoch nichts. Stattdessen nahmen die beiden eine andere Geschichte in Angriff. Henenlotter hatte ein Drehbuch mit dem bizarren Titel BASKET CASE geschrieben. Levins fungierte als Produzent und blieb dies auch noch bei Henenlotters späteren Werken.

BASKET CASE schaffte es in kurzer Zeit, weltweit zu einem Kultfilm zu werden, was dieser Film auch mehr als verdient, wenngleich der Regisseur nicht dieser Meinung ist, BASKET CASE angeblich sogar haßt und viel zu überbewertet findet. Die ungewöhnliche Handlung von BASKET CASE weicht von den üblichen Horrorthemen stark ab. Duane Bradley nimmt sich in New York ein Zimmer in einem drittklassigen Hotel. Bei sich trägt er einen Korb, in dem sich sein mißgestalteter Bruder Belial die meiste Zeit aufhält.

Die beiden waren als siamesische Zwillinge aufgewachsen. Im Alter von 14 Jahren wurde Belial von einigen mit der Familie befreundeten Ärzten operativ von Duane getrennt. Man hielt Belial für tot, doch dieser überlebte den Eingriff und tötete gemeinsam mit Duane auf brutalste Weise seinen Vater. In New York begeben sich die beiden nun auf die Suche nach den Ärzten. Duane macht einen nach dem anderen ausfindig, worauf Belial (der übermenschliche Fähigkeiten besitzt!) diesen der Reihe nach den Garaus macht. Eine Ärztin beispielsweise wird mit einem Dutzend Skalpellen in ihrem Gesicht aufgespießt. Als jedoch Belial eines nachts die Freundin von Duane vergewaltigt, kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem ungleichen Brüderpaar, in deren Verlauf beide eines tragischen Todes sterben.

Henenlotter ... haßt BASKET CASE

Henenlotters erster Spielfilm sorgte für enthusiastische Kritiken. Danny Peary widmete dem Film zum Beispiel ein ganzes Kapitel in seinem Buch "Cult Movies II". Mit billigsten Mitteln ist es dem Regisseur gelungen, einen atmosphärisch dichten, unheimlichen und spannenden Film zu machen. In BASKET CASE laufen so ziemlich die krankhaftesten Leute herum, die man je in einem Film gesehen hat (vielleicht mit Ausnahme von THE WORM EATERS). Kein einziger sieht normal aus oder benimmt sich so. Die Schauspieler, die hier zumeist zum ersten Mal auftraten, benehmen sich herrlich unbefangen und zeigen wieder einmal, daß ein guter Film nicht unbedingt Stars braucht, um zu gefallen. Die Blutspritz-Szenen sind einfallsreich, gekonnt und vor allem zahlreich. Gedreht wurde BASKET CASE in einem Stundenhotel am New Yorker Times Square. Der Rohschnitt kostete 35 000 Dollar. Im ganzen beliefen sich die Kosten für BASKET CASE auf 160 000 Dollar.

Henenlotter widmete BASKET CASE Herschell Gordon Lewis, dem Urgroßvater der Gorefilme, mit dem er sich auch einmal getroffen hat. BASKETCASE wurde wie SLASH OF THE KNIFE auf 16 mm gedreht und anschließend auf 35 mm aufgeblasen. Die superben, dreckigen Effekte wurden von Kevin Hanley (Make Up Artist bei WOLFEN und ALTERED STATES) und John Caglione (Make Up Assistent bei FRIDAY THE 13TH, Part 2 und SCANNERS) geschaffen. Der Film erhielt ein X-Rating.

Trotz des großen Erfolges von BASKET CASE machte Frank Henenlotter erst fünf Jahre später seinen nächsten Spielfilm. Ihm wurden zwar etliche Drehbücher angeboten, jedoch hauptsächlich dämliche Slasher-Filme, die ihn nicht im geringsten interessierten.

Zwischen BASKET CASE und seinem nächsten Film BRAIN DAMAGE arbeiteteunser Schundfilmer als Grafiker in einer Werbeagentur und als Englischlehrer. BRAIN DAMAGE ist zwar nicht mehr so schundig wie sein Vorgänger, aber die Geschichte braucht sich hinter BASKET CASE nicht zu verstecken. Das Skript schrieb diesmal der ehemalige "Fangoria"-Herausgeber Bob Martin.

Einer der Lieblingsfilme von Frank Henenlotter ist THE TINGLER von William Castle. Darin kommt ein hummerartiges Viech vor, das sich am Rückgrat des Menschen festsetzt, immer bereit, es zu zerquetschen. Von dieser Idee fasziniert, wollte Hennenlotter seine psychedelische Drogenversion dieses Themas drehen. Der Arbeitstitel von BRAIN DAMAGE hieß folgerichtig THE TINGLER TAKES A TRIP. Diesmal hatte unser Schundfilmer endlich ein normales Budget, um genau zu sein ca. 2,5 Millionen Dollar, zur Verfügung. Henenlotter und sein Team schufen mit BRAIN DAMAGE erneut ein außergewöhnliches Opus, wie man es im phantastischen Genre noch nicht annähernd so gesehen hat.

ELMER (so der deutsche Verleihtitel) ist ein unterarmgroßer, blauäugiger, penisförmiger Parasit mit einem unstillbaren Verlangen nach menschlichem Gehirn. Zu seinen ganz besonderen Fähigkeiten zählt, daß Elmer Menschen eine Art Droge injizieren kann, worauf diese dann zu halluzinieren beginnen, Visionen haben und die Umwelt in wunderschönen Farbenräuschen erleben. Nachdem das Ehepaar Ackerman (eine Reminiszenz an den bekannten Horror-/SciFi-Magazin-Herausgeber und Filmmaterialsammler Forrest J. Ackerman) schon total süchtig nach Elmers Droge ist, diesen nicht mehr aus ihrer Wohnung lassen und ihn nur noch ausquetschen, um high zu werden, verduftet Elmer eines schönen Tages zu deren Nachbarn Brian. Zurück bleibt ein spastisch zuckendes, altes Junkie-Ehepaar.

Brian erlebt noch am Abend erste, bizarre Halluzinationen. Elmer gibt sich kurze Zeit später zu erkennen. Brian, von den Illusionen fasziniert, schließt einen Handel mit Elmer ab. Für jeden Spaziergang durch die Stadt injiziert Elmer ihm durch eine Öffnung im Nacken eine blaue Flüssigkeit, die im Gehirn zu kurzschlußartigen Reaktionen und somit zu LSD-artigen Halluzinationen führt. Von nun an hat Elmer freie Bahn. Während Brian sich dem Drogenrausch hingibt, mordet Elmer, was das Zeug hält. Das erste Opfer ist der Nachtwächter eines Autofriedhofes. Elmer bohrt sich förmlich in dessen Kopf, um an den leckeren Inhalt zu kommen. Nach einem Discobesuch geht ein tanzendes Mädl mit dem berauschten Brian in einen Hinterhof, um ihm einen zu blasen. Doch statt dessen Schniepel wartet hinter Brians Hosentürl schon Elmer. Diese deftige und perverse Gore-Sequenz ist übrigens auf Deutsch uncut, während sie in der UK-Fassung eliminiert wurde.

Nach der Vergewaltigung der Freundin von Duane durch Belial in BASKET CASE, betrügt die Freundin von Brian diesen in BRAIN DAMAGE mit dessen Bruder (zu Frauen dürfte Frank Henenlotter ein gestörtes Verhältnis haben). Auch in BRAIN DAMAGE gibt es kein Happy End. Nachdem die Ackermans Brian stellen, um Elmer zurückzufordern, kommt es zu einer blutigen Auseinandersetzung, die mit dem Tod Elmers und der Ackermans endet. Ein Gag am Rande sei noch erwähnt: Duane Bradley und Korb sind in BRAIN DAMAGE in einer Nebenrolle zu sehen.

Henenlotter hat später das Skript zu einem 3 D-Film geschrieben, diesen aber leider nie verwirklichen können. Stattdessen verpflichtete er sich bei einer größeren Filmfirma ("Shapiro/ Glickenhaus"). Sehr zu unserem Nachteil drehte Henenlotter von nun an etwas bravere und angepaßtere Horrorfilme. Der Blutanteil mußte drastisch zurückgeschraubt werden, um ein R-Rating zu erhalten. Aus diesen Gründen werde ich den neueren Filmen von Frank Henenlotter nicht mehr soviel Aufmerksamkeit schenken.

Angefangen hat das schon damit, daß sein erster "Shapiro/Glickenhaus"-Film eine Fortsetzung zu BASKET GASE wurde. Ihr wißt ja, wie das mit Sequels ist. In den seltensten Fällen können sich die zweiten, dritten, vierten usw. Teile die Originalität des Originals bewahren. Selbst beim selben Regisseur geht das meist in die Hose.

Frank Henenlotter drehte aus Kostengründen mit BASKET CASE II und FRANKENHOOKER zwei Filme gleichzeitig. Bei BASKET CASE II stand ihm immerhin schon ein Budget von zweieinhalb Mio. Dollar zur Verfügung. BASKET CASE II ist im übrigen eine Hommage an Tod Brownings FREAKS. In BASKET CASE sind die beiden Hauptdarsteller beim Sturz aus einem Hotelfenster ums Leben gekommen. Im zweiten Teil haben sie den "tödlichen" Sturz überlebt und Belial tötet gleich danach im Krankenhaus, wo sie erwachen, einen Polizisten. Die beiden Brüder flüchten aus dem Spital direkt in die Hände der mysteriösen Granny Ruth. Sie bringt die beiden in ein Landhaus, in dem eine ganze Horde von mißgebildeten Freaks lebt. Granny Ruth war selber die Mutter eines mißgestalteten Kindes, das aber nach der Geburt starb. Daraus ergibt sich ihre Liebe zu all den Freaks und Mutationen.

Auch in BASKET CASE II wird fleißig gemordet. Der Besitzer einer drittklassigen Kuriositätenschau wird genau wie der sensationsgeile Fotograf Arty getötet. Wer diesmal ein Happy End erwartet, obwohl sich Duane in die Enkelin von Granny Ruth verliebt und Belial ein weibliches Gegenstück findet, wird erneut enttäuscht. Ruths Enkelin ist auch nicht normal, nein, sie trägt ein Monster im Bauch mit sich. Sie stürzt durch Duanes Verschulden aus dem Fenster des Hauses direkt vor die Füße ihrer Großmutter. Duane dreht völlig durch und schlägt Belial K.O. Vor den Augen der anderen näht er sich bei lebendigem Leibe Belial wieder an seinen Körper, um sich selbst zu bestrafen, weil er versucht hat, als normaler Mensch zu leben und seinen Bruder zu verdrängen.

Henenlotter ... drehte fast nur Schrott

BASKET CASE II ist nette Durchschnittsware, aber als gelungen ist er nicht zu bezeichnen. Die Masken der Freaks sind eher mißlungen, bzw. ziemlich übertrieben gemacht. Man glaubt sich in eine Höllen-Version der "Muppet Show" versetzt. Makaber ist die Monsterfickszene zwischen Belial und seiner Geliebten. Da zeigt sich wieder einmal Henenlotters völlig geschmackloser, tiefschwarzer Humor.

Unterhaltsamer ist da schon seine Version des "Frankenstein"-Themas FRANKENHOOKER. Der junge Elektriker Jeffrey Franken, der in seiner Freizeit elektronische Geräte erfindet, verliert seine Verlobte, die durch seinen Rasenmäher ums Leben kommt (ihr wird der Kopf abgetrennt). Jeffrey behält den Kopf der Geliebten und versucht, einen passenden Körper für sie zu finden. (Erinnert euch das nicht auch an die herrlichen Exploitationfilme THE BRAIN TRAT WOULDN'T DIE und DIE NACKTE UND DER SATAN, beide von 1958?) Nachdem er etlichen Huren eine noch unerprobte Droge verabreicht, zersplattern diese auf gar fürchterliche Weise. Somit hat Jeffrey genug Material, um sich seine BRIDE OF FRANKENSTEIN/BRIDE OF RE-ANIMATOR zu schaffen.

Natürlich endet auch in diesem Film alles in einem blutigen Gemetzel, als das zur künstlichen Liebesmaschine geschaffene Geschöpf vom Labor direkt auf den Strich marschiert. Die weibliche Hauptrolle in dieser netten (aber etwas glatten) Komödie spielt das Ex-"Penthouse"-Pet Patty Mullen sehr überzeugend. Mit James Lorinz als Jeffrey Franken stand Henenlotter diesmal ein etwas erfahrenerer Schauspieler zur Verfügung. Lorinz spielte in STREET TRASH, sowie LAST EXIT TO BROOKLYN und KING OF NEW YORK mit.

Henenlotter ... steht auf Filmmüll

Wir schreiben mittlerweile das Jahr 1991 und das Kasperltheater geht weiter. In BASKET CASE III sehen wir nach einer Rückblende auf Teil II, daß Belials Freundin schwanger ist und Duane wieder von Belial getrennt wurde. Granny Ruth bringt nicht nur den schwangeren Gugelhupf zu einem Arzt, nein, sie nimmt noch dazu alle ihre Freaks im Bus mit. Als ob das nicht genug wäre, fängt die Oma auch noch zu singen an, worauf die ganze Gesellschaft Musikinstrumente hervorzaubert und mitgrunzt. Unglaublich, was für einen Schwachsinn uns Henenlotter da vorsetzt. Es kommt aber noch schlimmer. Belials Freundin Eve bringt sage und schreibe zwölf Miniaturbelials zur Welt!

Zwei Polizisten, die sich eine Belohnung für Duanes und Belials Ergreifung versprechen, dringen in das Haus des Arztes ein und landen mitten in einer Freakparty. Sie töten Eve und entführen die Kinder. Belials Rache ist fürchterlich. Wie in TERMINATOR und THE HIDDEN wird auch in BASKET CASE III eine Polizeistation von einem einzigen Monster angegriffen und vernichtet. Die erste Hälfte dieses Zelluloidkuhfladens ist unerträglich deppert. In der zweiten Hälfte gibt's zwar einen deftigen Body Count, der aber durch die unbeholfenen Spezialeffekte nie an das Original heranreicht.

Bis jetzt hat Henenlotter keinen neuen Film mehr gemacht. Gott sei Lob und Dank plant er keinen vierten BASKET CASE. Er hat sich scheinbar seiner wahren Qualitäten besonnen und widmet sich vermehrt dem Auffinden obskurer Trash- und Exploitationfilme. Die Firma "Something Weird" produziert seit einiger Zeit Henenlotters Videoserie SEXY SHOCKERS FROM THE VAULTS, für die der Regisseur u.a. Schundhorror und Mondofilme wie HOUSE ON BARE MOUNTAIN, THE AWFUL DR. ORLOF, MONSTER AT CAMP SUNSHINE oder HORRORS OF SPIDER ISLAND ausgegraben hat. Die Auswahl ist bizarr, aber gelungen. Angemerkt sei noch, daß Mister BASKET CASE Educational-Filme wie SAFETY BELT FOR SUSIE mag, in dem Non-Stop hintereinander Auto-Crashs mit Puppen gezeigt werden, um die Leute vor den Gefahren des Autofahrens zu warnen.

Ich beende diesen Artikel mit einem Zitat des Regisseurs: "Gebt mir 23 Millionen Dollar und ich drehe euch 23 billige Sex- und Horrorfilme." Zitat des Verfassers dieses Artikels: "Gebt mir 23 Millionen Dollar und ich schreibe euch 23 Fortsetzungen von BASKET CASE."

Anm.: Dieser Artikel wurde erstmals In "Bad Taste" Nr. 10 veröffentlicht

Dieser Artikel erschien im Spookie Nr. 2, Juli 1996