Fantasy FF`96

FILMFEST `96

von R. Signoroni & Ivo Scheloske

Mangas sind in den letzten Jahren "in". Ob nun in ihrer Ur-Form als Comic, als Zeichentrick-Version oder auch Realverfilmung, sie finden reißenden Absatz. Kazuo Koikes und Ryochi Ikegamis Comic CRYING FREEMAN ist in Japan recht berühmt, zog schnell sechs Zeichentrick-Episoden nach sich und war auch eine der ersten Comic-Reihen, welche VIZ-Comics für den amerikanischen Markt ankauften. Mittlerweile sind die einzelnen Episoden auch in deutsch erhältlich. Hongkongs Filmindustrie hat diesen Markt längst entdeckt und produziert am laufenden Band Realverfilmungen zu diversen Mangas (u.a. CITY HUNTER, WICKED CITY oder auch STORY OF RICKY) und so verwundert es doch, daß es bisher mit KILLER'S ROMANCE und DRAGON FROM RUSSIA nur inoffizielle Adaptionen dieses Stoffes gibt. Noch mehr verwundert es aber, daß sich die Amerikaner für diese Geschichte zu interessieren begannen. Und wer deren bisherige Ausflüge in Manga-Gefilde à la FIST OF THE NORTH STAR kennt, der dürfte mit dem Schlimmsten gerechnet haben.

Doch allen Befürchtungen zum Trotz erweist sich die vorliegende Produktion als beste Verfilmung des Comic-Stoffes, hält sie sich doch fast zu 100% an die Vorlage (fast scheint es, als seien einige der Panels lebendig geworden) und schlägt selbst solche Vorbilder wie DRAGON FROM RUSSIA in punkto Action und Rasanz locker aus dem Rennen. Obwohl dem Film eine gute Story zugrunde liegt, lebt er aber eindeutig von dem Zusammenspiel zwischen Kameraarbeit, Musik und Farbgebung. Gefilmt wurde im Scopeformat, dessen Breite hier voll ausgenutzt wird und genau wie die Story dem Zuschauer kaum Ruhe gönnt, ist auch die Kamera immer in Bewegung. Schwerelos gleitet sie durch die Luft, umschmeichelt gleißende Wasserfontänen, explodierende Autos und von Kugeln (natürlich in Zeitlupe) zerfetzte Menschenkörper. Viel zu schön, um überhaupt brutal zu wirken. Immer unterlegt vom Score von Patrick O'Hearn (WHITE SANDS) - mal dynamisch peitschend, mal mit einer poetischen Ruhe.

Noch kurz etwas zu den Darstellern: Wer Marc Dacascos nur an seinen Kick-Box-Filmen oder - noch schlimmer - an DOUBLE DRAGON mißt, wird hier sein blaues Wunder erleben. Athletische Kampfmaschinen gibt es viele, die wenigsten schaffen es jedoch, ihren Rollen eine Seele einzuhauchen. Und so manch ein Zuschauer wird in einigen Szenen zweimal hinsehen müssen, bevor er glaubt, daß das nicht Brandon Lee auf der Leinwand ist - die Ähnlichkeit der beiden ist verblüffend.

CRYING FREEMAN war schon auf diversen Festivals (u.a. auf dem diesjährigen Festival des Phantastischen Films in Brüssel) ein Riesenerfolg und wird nun wohl, trotzdem er bei uns schon auf Video (Warner) erschienen ist, doch noch auf dem Fantasy Filmfest zu sehen sein - der großen Nachfrage wegen.

Nach ACCION MUTANTE ist EL DIA DE LA BESTIA Alex de la Inglesias zweiter abendfüllender Spielfilm. Nun nicht mehr unter der Federführung von Pedro Almodovar, läßt Iglesias den Splatter, welcher viel zum Unterhaltungswert seines Erstlingswerkes beigetragen hat, beiseite und konzentriert sich fast gänzlich auf den schwarzen Humor. Auch hat er in den vergangenen drei Jahren recht gut gelernt, wie man einem Film mehr Drive verpaßt und ihn somit auch nach mehrmaligen Anschauen noch goutierbar macht - eine Tatsache, die ACCION MUTANTE fast völlig abgeht, der einfach noch zu viele Durchhänger aufwies.

Der Pfarrer Angel Berriartua hat es geschafft, die Prophezeiungen der Apokalypse zu entschlüsseln. Dieses Jahr zu Weihnachten soll der Sohn des Teufels geboren werden. Da Angel vom Lande stammt, steht für ihn fest, daß die Geburt nur in der Stadt des Teufels stattfinden kann - in Madrid. Wo dort genau weiß er allerdings nicht. Trotzdem guten Mutes reist er ohne Geld und Gepäck in die Großstadt - da er dem Teufel ohnehin nur gegenübertreten kann, wenn er böse Taten begeht, kann er sich beides auch auf eine etwas unorthodoxere Methode besorgen. Hilfe in seinem Kampf gegen das Böse erhält er auf der einen Seite von dem Death-Metal-Freak José Maria und auf der anderen, nicht ganz so freiwilligen Seite, von Professor Cavan, einem Fernsehprediger.

Die stoische Ruhe, die der etwas naive Priester vom Lande auch noch bei seinen schlimmsten Taten (gegen irgendwelche unschuldigen Mitbürger) an den Tag legt, läßt den Zuschauer kaum Zeit, sich von den Lachanfällen zu erholen. Es geht Schlag auf Schlag. Die gesellschaftskritischen Töne - Gewalt gegen Minderheiten - die Regisseur Iglesia unterzubringen versucht hat, werden vom Lachen des Zuschauers (leider?) übertönt. Nur da und dort kann einem manchmal das Lachen im Halse steckenbleiben. Übrigens: Der Pfarrer wird von dem Quecksilberbündel Alex Angulo gespielt, der in ACCION MUTANTE als nicht totzukriegender siamesischer Zwilling in Erscheinung getreten ist.

Als Kind habe ich die PHANTOM-Comics verschlungen, sogar ein Hörspiel (ja, das über die fiesen Drogenhändler) habe ich mir geholt. Bloß Mitglied im "Phantom"-Club bin ich nicht geworden. Na ja, und jetzt gibt es also endlich den Film dazu. Natürlich ein Muß. Trotz des lilafarbenen (!!!) Taucheranzuges, den Billy Zane (TWIN PEAKS) als Phantom trägt. Regie führte der Australier Simon Wincer. In weiteren Rollen sind zu sehen: Treat Williams als Bösewicht und Kristy Swanson als Feindin des "Wandelnden Geistes", wie Phantom auch genannt wird.

Ein im Süden Spaniens einschlagender Meteorit bewirkt bei der jungen (und verdammt gut gebauten) Candy (Melinda Clarke) eine nette Mutation: Ihr wächst die vielleicht längste Zunge seit A CHINESE GHOST STORY. Wie die verführerische Candy alltägliche Probleme wie das Essen mit ihrer meterlangen KILLER TONGUE meistert, kann man sich im dritten spanischen Beitrag des Festivals, neben EL DIA DE LA BESTIA und TESIS,anschauen. Regie führte der Wahl-Londoner Alberto Sciamma, in einer Nebenrolle tritt Robert Englund auf.

WIZARD OF DARKNESS heißt der neueste Kinofilm der Regisseurin Shimako Sato (TALE OF A VAMPIRE), in welchem die Schüler der Seika High School in einen Strudel aus Schwarzer Magie, Voodoo, Teufelsanbetungen, sowie deren grauenvollen Resultaten gezogen werden. Eine lesbische Affaire zwischen der Schülerin Wami und der Lehrerin Kyoko ist da nur noch das sprichwörtliche Salz in einer ohnehin schon recht köstlichen Suppe.

Filme & Termine

Eine kleine Auswahl weiterer Filme, die auf dem Fantasy- Filmfest zu sehen sein werden:

  • HELLRAISER IV
  • LORD OF ILLUSIONS (Director's Cut)
  • VAMPIRE IN BROOKLYN
  • WICKED CITY
  • ADRENALINE
  • CHILDREN OF THE CORN 4
  • THE DENTIST
  • THE PHANTOM LOVER
  • BARB WIRE
  • DARK SKIES
  • BRAINDEAD (Retro)
  • GOTHIC (Retro)
  • THE HIDDEN (Retro)
  • Die einzelnen Festivaltermine sehen folgendermaßen aus:

  • München 31.07. - 07.08.1996
  • Berlin 07.08. - 14.08.1996
  • Frankfurt 14.08. - 21.08.1996
  • Stuttgart 15.08. - 21.08.1996
  • Köln 21.08. - 28.08.1996
  • Hamburg 28.08. - 04.09.1996
  • Dieser Artikel erschien im Spookie Nr. 2, Juli 1996