Cameron Teil 2

KNALL!WUUUMMM!PENG!

James Cameron und seine Filme, Teil 2

von Markus Janda

ALIENS gehört fraglos zu jenen Science-Fiction-Filmen, bei denen man nach der Vorführung das Kino verläßt und vor Glück am liebsten weinen möchte, weil man das Gefühl hat, Gott habe einen 130 Minuten lang in seinen Armen gewiegt. Gesteigert wird das traumatische Erlebnis durch die Gewißheit, einen künftigen Genre-Klassiker gesehen zu haben, an dem selbst der trotzigste Kritikaster bei einem Rückblick auf die SF-Kinoereignisse der 80er Jahre nicht vorbeikommt. Daß ALIENS ebenso brillant werden würde wie sein Vorläufer, daran wollte anfangs außer dem Regisseur James Cameron und der Produzentin Gale Ann Hurd niemand glauben. In den Augen vieler vermeintlicher Experten mußte jedes ALIEN-Sequel zwangsläufig in einem künstlerischen Desaster enden, so unerreichbar hoch schien Ridley Scott mit seiner Originalvorlage die Meßlatte gelegt zu haben. Finanziell hätte sich dagegen eine Fortsetzung in jedem Fall gelohnt. Niedrig budgetiert, reißerisch beworben und mit einer hohen Kopienzahl in die Kinos gedrückt, hätte 20th Century Fox zweifellos einen ordentlichen Gewinn eingefahren, ganz gleich, wie der fertige Film ausgesehen hätte. Doch das Drehbuch, das James Cameron und Walter Hill (Produzent und Co-Autor von ALIEN) für ALIENS geschrieben hatten, ließ sich nicht für wenig Geld verfilmen. Also lehnte es die Fox zunächst einmal ab, eine Fortsetzung zu produzieren.

"Ich hasse Gewehre!" Sigourney Weaver über die kriegerische Atmosphäre in ALIENS

Auch Sigourney Weaver, die als Ellen Ripley in ALIEN praktisch über Nacht zu Ruhm und Ehre gelangt war, hatte anfangs kein Interesse, nochmals gegen außerirdische Monstren anzutreten. Was sie letztlich dazu bewog, doch in ALIENS mitzuspielen, war die emotionale Entwicklung, die Ripley in Camerons Skript durchmachte. Daß diese Entwicklung im Film so weit ging, daß sie als waffenstarrende Weltraum-Amazone fast im Alleingang die gesamte Alien-Brut auslöschte, war der eingefleischten Waffengegnerin Sigourney Weaver im nachhinein allerdings höchst unangenehm. Auf ihrer Promotiontour für den Film versäumte sie es denn auch nicht, jedem Journalisten klarzumachen, wie sie zu Flammenwerfern und Granaten steht. Weaver: "Als ich das Drehbuch las, hatte ich keine Vorstellung davon, wie martialisch die ganze Atmosphäre sein würde. Ich hasse Gewehre und es ist für mich tatsächlich problematisch, moralisch zu rechtfertigen, in einem Film mit derart vielen Waffen mitzuspielen. Ich sagte mir, ich benutze das alles ja nur für Newt. Ripley besitzt nicht diesen Kämpferinstinkt. Nur, weil ihr Kind bedroht ist, wird sie zur Kämpferin."

18 Mio. Dollar bewilligte 20th Century Fox schließlich dem Duo Cameron/Hurd, um für einen würdigen, vor allem aber profitablen ALIEN-Nachfolger zu sorgen. Noch bevor das Studio überhaupt sein O.K. gegeben hatte, waren James Cameron und Gale Ann Hurd bereits mit dem Schweizer Künstler H.R. Giger in Kontakt getreten, um ihn für ihren Film zu gewinnen. Doch Giger, der für ALIEN u.a. das sabbernde Titelmonster entworfen hatte, hatte schon einen Kontrakt für POLTERGEIST 2 unterzeichnet. Giger selbst behauptet übrigens in seinem Bildband "H.R. Gigers Biomechanics", daß niemand aus dem ALIENS-Produktionsteam je mit ihm über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen habe. "Aus Geldgründen", wie der Mann aus Chur vermutet.

Nachdem Giger nicht zur Verfügung stand, übernahm James Cameron, der auch ein hervorragender Illustrator ist, selbst die Neugestaltung der Aliens. Seinem Zeichenstift entsprang u.a. die monströse Alien-Königin. Für die Umsetzung seiner zweidimensionalen Entwürfe in dreidimensionale Modelle war Stan Winston zuständig, der Cameron bereits für TERMINATOR diverse Prothesen und Masken geliefert hatte. Winston nutzte die Gelegenheit, um das einzige Manko des Originalfilms zu beheben. Winston: "Mich störte an ALIEN schon immer, daß man am Schluß genau sieht, daß der Außerirdische bloß ein verkleideter Schauspieler ist." An den verkleideten Schauspielern kam Winston zwar auch nicht vorbei, doch mittels Gummibandaufhängungen und einer langsamen Aufnahmegeschwindigkeit brachte er eine insektenhafte Hektik in das Spiel seiner maskierten Alien-Darsteller, die einen den Mann im Kostüm glatt vergessen läßt.

Besonders viel Wert legte James Cameron auf das Design des Films. "Was mich an ALIENS faszinierte, war das ungeheure Design-Potential. Ein solcher Film lebt von der Umgebung, in der er spielt. Darum müssen die Sets sowohl interessant und fremdartig, als auch glaubwürdig und realistisch gestaltet sein", erklärt der Regisseur. Obwohl Cameron viele seiner Vorstellungen selbst zu Papier brachte, holte er sich zwei weitere Zeichner zur Unterstützung: Ron Cobb (ALIEN) und Syd Mead (BLADE RUNNER). Cobb entwarf die Ausstattung der Kolonisten auf dem unwirtlichen Planeten LV-426, Mead die der Marines. Unter eben diesen Marines befindet sich im Film auch der Androide Bishop, eindrucksvoll verkörpert von Lance Henriksen, einem alten SF- & Horrorfilm-Veteranen. Henriksen war zuvor unter anderem schon in TERMINATOR zu sehen - als kleiner, unbedeutender Polizeioffizier, der nach ein paar kurzen Dialogen von Arnold Schwarzenegger niedergestreckt wird. Dabei hätte er beinahe selbst den unbesiegbaren Terminator gespielt, wenn "Orion Pictures", die den Film finanzierten, nicht auf einen Star wie Schwarzenegger in der Titelrolle bestanden hätten.

ALIENS schlug im Sommer '86 wie eine Bombe in den amerikanischen Kinos ein und etablierte James Cameron endgültig als Meister des knalligen SF-Kintopps. Mit seinem nächsten, deutlich beschaulicherem (und auch weniger erfolgreichem) Film THE ABYSS erfüllte sich Cameron einen alten Jugendtraum. Schon an der Highschool faszinierte ihn die geheimnisvolle Unterwasserwelt mit ihren rätselhaften Bewohnern, bizarren Landschaften und kilometertiefen Abgründen, von denen es hieß, daß sich in ihnen möglicherweise noch Tiere aus der Urzeit verborgen hielten. Nach seinem Riesenerfolg mit ALIENS konnte er nun endlich einen Film an dem Ort drehen, der auf viele Menschen außerirdischer wirkt als jede Planetenoberfläche, die die Wissenschaftler bislang mit ihren Teleskopen ausgespäht haben.

Natürlich war es auch James Cameron nicht möglich, die in THE ABYSS geschilderte unterseeische Begegnung zwischen der Besatzung eines außerirdschen Raumschiffs und der Crew einer Unterwasserstation an Originalschauplätzen zu filmen. Vielmehr wurde die gewünschte Umgebung in zwei gewaltigen Wassertanks eines unvollendeten Atomkraftwerks nachgestellt. So errichtete das Filmteam in dem größeren der beiden Tanks z.B. die komplette Unterwasserstation "Deepcore". Da die Dreharbeiten größtenteils unter Wasser stattfanden, mußten sämtliche Schauspieler vor Drehbeginn ein intensives Tauchtraining absolvieren.

"Das Wasser war das größte Problem." - Cameron über THE ABYSS

Trotz aller Vorbereitungen gestalteten sich die Aufnahmen äußerst mühsam. Es kam immer wieder zu unerwarteten Stromausfällen, die Tanks leckten und ständig mußten Algen aus den riesigen Wasserbehältern entfernt werden. "Die größten Probleme bereitete uns das Wasser", erinnert sich James Cameron. "Die Kommunikation, die Ausleuchtung, die Kameraführung - das alles war sehr umständlich. Wir arbeiteten mit mehreren Kameras, weil allein das Wechseln der Filmrollen knapp 25 Minuten dauerte."

Insgesamt fünf Trickfirmen (darunter natürlich auch ILM) waren damit beschäftigt, zum Teil noch nie gesehene Filmwunder zu vollbringen. Ganz besonders beeindruckend: Ein computergenerierter, meterlanger "Wasserwurm", der sich fast lautlos durch die Korridore und Quartiere der „Deepcore“ schlängelt und dessen Ende sich, als er auf die verblüffte Besatzung trifft, zu einem Gesicht verformt. Ein Effekt, den Cameron in seinem nächsten Film wieder einsetzte, um dem fortschrittlichsten Kampfroboter aller Zeiten Leben einzuhauchen.

(Teil 3 im nächsten SPOOKIE)

Literaturhinweis:

  • "Aliens-The Official Movie Book", Starlog Press, New York 1986

Besprechungen:

  • "Aliens - Die Rückkehr" (von Norbert Stresau) und "Abyss - Der Abgrund" (von Thomas Sieck) in "Enzyklopädie des Phantastischen Films", Corian-Verlag, Meitingen

Dieser Artikel erschien im Spookie Nr. 2, Juli 1996