"Ich habe mit Elvis gesungen"
Interview mit der Entertainerin Cassandra Peterson
von Markus Janda
Cassandra Peterson wurde 1951 geboren und wuchs in Colorado Springs auf, wo ihr Vater als Versicherungsvertreter arbeitete und ihre Mutter einen Kostümverleih betrieb.
Im Alter von zwei Jahren erlitt sie einen schweren Unfall, bei dem kochendes Wasser einen Großteil ihrer Haut verbrühte. Die Narben sind bis heute geblieben: Gesichts- und Körper-Make Up nehmen täglich zwei Stunden in Anspruch. Nach Abschluß der High School ging Cassandra Peterson nach Las Vegas, wo sie zum jüngsten Showgirl in der Geschichte der Spielerstadt avancierte. Ende der 60er Jahre tourte sie als Sängerin einer Pop-Band durch Europa und ließ sich in Italien nieder. In Rom machte sie Bekanntschaft mit dem Filmregisseur Federico Fellini. Fellini erkannte sehr schnell die Vielseitigkeit der jungen Amerikanerin und besetzte sie für eine Rolle in seinem Film ROMA.
1971 kehrte Cassandra Peterson in die USA zurück. Eine Zeitlang tingelte sie mit ihrer eigenen Nachtclub-Revue "Mama's Boys" durch die Lande, nebenbei verdingte sie sich als Ensemblemitglied der in Los Angeles beheimateten Komikertruppe "The Groundlings". 1981 gelang ihr schließlich der große Durchbruch. Sie wurde von KHJ TV, einem Lokalsender in Los Angeles, als Moderatorin für eine neue Fernsehsendung mit dem Titel "Movie Macabre" ausgewählt. Um die billigen B-Pictures, die im Rahmen der Sendung gezeigt werden sollten, stilecht präsentieren zu können, entwickelte sie gemeinsam mit dem Make Up-und Kostüm-Experten Robert Redding ihr Alter Ego Elvira, Mistress of the Dark.
Das Publikum reagierte begeistert auf die wortgewandte Herrin der Nacht. Bereits im Mai '82 zeichnete sich ab, daß Elvira auf dem besten Wege war, eine Ikone des amerikanischen Fernsehens zu werden, als die Ausstrahlung eines in 3D aufgezeichneten "Movie Macabre"-Specials einen regelrechten Run auf 3D-Brillen auslöste. Fast drei Millionen Stück gingen über die Ladentische, ein Liebesbeweis, der nur noch durch die Ausrufung eines "Elvira Day" durch den Bürgermeister von Los Angeles im Jahre 1984 übertroffen wurde. Nachdem "Movie Macabre" von immer mehr TV-Sendern ins Programm genommen worden war, bis die Sendung schließlich in ganz Nordamerika gesehen werden konnte, eroberte Elvira 1988 auch noch die US-Kinos mit ihrem ersten Spielfilm ELVIRA, MISTRESS OF THE DARK, einer Gemeinschaftsproduktion von Cassandra Petersons Queen 'B' Productions und dem TV-Sender NBC.
Petersons anhaltender Erfolg als Elvira ist nicht zuletzt auch ein Ergebnis der Merchandise-Maschinerie, die unentwegt Computerspiele, Flipperautomaten, Trinkgläser, Comics, Halloween-Kostüme, Perücken (von denen sich Cassandra Peterson selbst vor jedem Elvira-Auftritt eine über den rotblonden Schopf stülpen muß), T-Shirts, Videos und vieles mehr ausspuckt. Wie viele ihrer Kollegen nutzt auch Cassandra Peterson ihren berühmten Namen, um ihren Mitmenschen zu helfen. So engagierte sie sich beispielsweise 1990 für das AIDS Project LA. Außerdem setzt sie sich aktiv gegen Tierversuche ein; u.a. fließt ein Teil des Verkaufserlöses ihres Parfüms "Evil" auf das Konto der Tierschutzorganisation PETA.
Markus Janda nahm mit Cassandra Peterson Kontakt auf und führte mit ihr das nachfolgende Interview.
Sie sind schon als Teenager nach Las Vegas gegangen und haben dort als Tänzerin und Sängerin gearbeitet. Gab es einen besonderen Grund, warum Sie dorthin wollten?
Als ich 14 war, habe ich einen Film gesehen, der mein Leben für immer veränderte - VIVA LAS VEGAS, mit Ann-Margret und Elvis Presley in den Hauptrollen. Seitdem wollte ich nur noch eins: nach Las Vegas gehen und eine Tänzerin werden wie Ann-Margret und Elvis treffen, genauso wie in dem Film. Ich erreichte dieses Ziel, als ich 17 war.
Stimmt es, daß Elvis Presley persönlich Ihnen geraten hat, eine Karriere als Sängerin zu starten?
Nachdem ich Showgirl im Dunes Hotel in Las Vegas geworden war, in einer Show namens "Vive Les Girls", traf ich Elvis, als er eines Abends mit Freunden vorbeikam, um sich die Show anzusehen. Er lud mich zu einer Party ein, die er gab, und ich hatte die Gelegenheit, einige Zeit mit ihm zu verbringen. Wir waren den ganzen Abend zusammen und er spielte Piano und wir sangen zusammen, ob Sie's glauben oder nicht. Er meinte zu mir, daß ich eine respektable Singstimme habe und daß ich Gesangsunterricht nehmen und das ganze Showgirl-Zeug vergessen solle, das ohnehin zu nichts führen würde. Ich befolgte seinen Rat und innerhalb weniger Monate wurde ich Sängerin in meiner Show.
Später sind Sie mit einer Band durch Europa gereist. Wie kam es denn dazu?
Ich habe mich ein paar Freunden angeschlossen, die nach Europa wollten, um in Paris in der "Lido de Paris"-Show aufzutreten. Mit einer Freundin bin ich dann nach Italien weitergezogen, wo ich einen Job als Sängerin in der Band "l Latins 80" bekam.
Ich habe mal gelesen, daß es sich bei dieser Band um eine Rockband gehandelt haben soll. Wie sah es denn da mit Sex, Drugs and Rock 'n' Roll aus?
Davon waren wir so weit entfernt wie man es sich überhaupt nur vorstellen kann. Die andere Sängerin und ich trugen Schlafanzug-ähnliche Outfits und sangen hauptsächlich "Abba-esque" Cover-Versionen amerikanischer Pop Songs. Weil sie Katholikin war, reiste ihre Mutter ständig mit uns mit und ließ uns keine Sekunde aus den Augen.
Wie lange waren Sie in Europa?
Ich war mit der Band ungefähr ein Jahr auf Tour, hauptsächlich in Italien. Eines Tages hatte ich dann aber genug. Als wir eine Pause machten ging ich ins Hotel, packte meine Koffer und flog zurück in die USA. Möglich, daß sich die anderen immer noch wundern, wo ich abgeblieben bin.
Wie haben Sie Federico Fellini kennengelernt?
Ich traf Federico Fellini vor der Zeit bei "l Latins 80", als ich in der Umgebung von Rom nach Arbeit suchte. Ich spazierte eine Straße in "Trastevere" runter und stieß auf ein Filmteam, das dort gerade Aufnahmen machte. Ich entdeckte einen Typen, den ich aus Las Vegas kannte, wo er mal eine Dokumentation über Showgirls gedreht hatte. Er war Regie-Assistent bei Fellinis Film ROMA. Er stellte mich Fellini vor, der meinte, daß ich aussehe wie seine Frau, Julietta Massini, als sie jung war und mich fragte, ob ich in seinem Film mitwirken wolle. Ich machte etwa einen Monat mit, in allen möglichen Rollen und Szenen. Ich bekam zwar kaum Geld dafür, aber ich genoß die Erfahrung.
In den frühen 80er Jahren wurden Sie zu Elvira, Mistress of the Dark. Wie sehr unterscheidet sich eigentlich Cassandra Peterson von Ihrem Alter Ego Elvira?
Elvira und Cassandra Peterson sind so verschieden wie Tag und Nacht. Cassandra ist eine Ehefrau und Mutter, die es genießt, zu kochen und im Garten zu arbeiten, während Elvira... na-ja, es ist schwer zu sagen, was Elvira ist.
Hatten Sie jemals Ärger mit religiösen Fanatikern, die Elvira für eine teuflische Hexe hielten, die man unbedingt vom Fernsehschirm verbannen müsse?
Ein bißchen Ärger hatte ich schon mit solchen Leuten. Allerdings habe ich auch Fan-Briefe von Rabbis, Priestern und Nonnen bekommen, die sich dazu bekannten, Elvira regelrecht anzubeten.
Wie ich gelesen habe, bereiten Sie derzeit einen zweiten Elvira-Kinofilm vor. Können Sie uns schon etwas über den Inhalt verraten?
Das Sequel beginnt dort, wo ELVIRA, MISTRESS OF THE DARK aufgehört hat, in Las Vegas natürlich. Diesmal bin ich gezwungen, gegen zwei bösartige Außerirdische zu kämpfen, die sich als Magiere ausgeben, mir meinen Zauberring stehlen und mit dessen Macht die Welt zerstören wollen.
Brent Spiner, Darsteller des Androiden Data in der TV-Serie STAR TREK: THE NEXT GENERATION und den NEXT GENERATION-Kinofilmen, sagte einmal, daß er den Androiden nicht ewig spielen könne, weil der ja nicht altere, er aber schon. Haben Sie nicht ein ähnliches Problem in Anbetracht der Tatsache, daß die Leute Elvira nicht nur wegen ihres Humors und ihrer Schlagfertigkeit lieben, sondern auch wegen ihres sexy Körpers?
Ich denke, daß Elvira auch dann noch ihr Unwesen treiben wird, wenn ich mein Bustier schon lange an den Nagel gehängt habe. Es gibt soviele Merchandise-Artikel von ihr, daß sie problemlos ohne mich auskommen kann, genauso wie Dracula ohne Bela Lugosi und der Werwolf ohne Lon Chaney jr.
Sie sind Mitglied der Tierschutzorganisation PETA. Gab es einen speziellen Anlaß, weshalb Sie dieser Organisation beigetreten sind?
Obwohl ich Tiere schon immer geliebt habe, bin ich erst vor etwa zehn Jahren zu einem Verfechter der Tierrechte geworden, als ich ein paar sehr engagierte Menschen getroffen habe, speziell welche von PETA, die mich auf das tägliche Leid der Tiere aufmerksam gemacht haben. Seitdem bin ich Vegetarierin und investiere, wann immer es geht, Zeit und Mühe, um Tieren zu helfen. Obwohl es viele Vereine gibt, die sich couragiert für Tiere einsetzen, hat besonders PETA große Erfolge erzielt, was den Kampf gegen die Tierquälerei rund um die Welt anbelangt, angefangen vom Stop der Tierversuche für Kosmetik in den USA bis hin zum Schlag gegen den Pelzhandel.
Gibt es irgendwelche Personen, die Sie bewundern?
Ich bewundere starke Frauen wie Hillary Clinton und Nina Hagen, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 6, August 1997
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