Das 5. Element
Intergalaktisches Diebesgut
von Guido Keller
Die Geschichte ist schnell und geradlinig erzählt: Ein monströser Anti-Materie-Komet rast als die Verkörperung des Bösen fast alle 5000 Jahre auf die Erde zu. Vier Steine und das fünfte Element sind der Schlüssel, ihn aufzuhalten. Die ausserirdischen Mondoshawan, aufrecht gehende Riesenkäfer in Metallpanzern, die einst die vier Steine aus einer Pyramide mitnahmen, eilen zur Rettung der Erde zurück, werden aber vernichtet. Aus einer übriggebliebenen Mondo-Hand wird die Superfrau Leeloo geklont, die dem Ex-Soldaten und Taxifahrer Korben Dallas (Bruce Willis) begegnet. Mit Hilfe eines allwissenden Priesters machen sich die Helden auf die Suche nach den Steinen. Dabei sehen sie sich mit dem bösen Zorg (Gary Oldman) und den Mangalores, seinen hundeköpfigen Handlangern, konfrontiert. Der pathetische Höhepunkt klärt schließlich die Bedeutung des fünften Elements. (Soviel sei verraten: Es ist nicht Bor, und auch nicht der Aristotelische Äther).
"Die Brüder Lumière" nennt Luc Besson das Spezialeffekte- Team seines neuesten Coups. Und in der Tat darf man hier endlich wieder staunend wie ein Kind vor der Leinwand sitzen, das einen Blick ins Jahr 2259 wagt, in eine nie zuvor gesehene Welt, unentdecktes Neuland, ja, wären da nicht die anderen Science-Fiction-Werke, an die wir ganz schamlos erinnert werden. Bessons Romanvorlage zum Film stammt allerdings aus dem Jahr 1975, was die Frage aufwirft, ob er damit nicht sogar schon Eckpfeiler des SF-Genres voraussah. Scheppernde Stimmen wie die Darth Vaders aus STAR WARS, die im riesigen Reagenzglas kreierte Powerschönheit, die sich durch Wände schlägt (siehe SPECIES) und die wie in BLADE RUNNER zwischen Wolkenkratzern schwebenden Mobile kommen wie Zitate daher, doch in ihrer genialen Schlichtheit persiflieren sie die Anstrengungen der Vorgänger zugleich aufs köstlichste. Wie selbstverständlich stiefelt seit Monaten auf MTV eine Hundefratze in einem DAFT PUNK-Video durch die Großstadt, der aufrecht gehende Hund hat es nun auch Besson angetan. Selbst sein US-Präsident, der schwarz sein darf, spricht Krause-Englisch wie Schwarzenegger, Jean Reno, der PROFI, leiht seine akzentvolle Stimme aus, um die von Jean-Paul Gaultier eingekleidete Cast noch europäischer wirken zu lassen als es einem amerikanischen Regisseur je gelungen wäre.
Leeloo, die Nikita der Zukunft, Bessons Lieblingsfigur der tödlich-grazilen Killerkindfrau mit Herz, plappert munter in Phantasiesprache drauflos, was beinahe mehr amüsiert als ihre unvergesslich bleibenden Menschenworte ("Multi-Pass"). Da sie alt genug ist, darf Profi Willis sie lieben, und er macht daraus kein Drama wie Deckard (Harrison Ford) mit seiner Replikantin in Ridley Scotts BLADE RUNNER. Gerade hierzu entwirft Besson eine erfrischend helle und verspielte Gegenwelt, die freilich über 200 Jahre später angesiedelt ist. Die Set-Designs von Jean-Claude Mezieres und Moebius, den Grafikern und Comic-Zeichnern, sind wie Gaultiers bauchnabelfreie McDonalds- und Stewardessenmode ein fortwährender Augenschmaus. 225 Einstellungen mit Special Effects soll DAS FÜNFTE ELEMENT enthalten, und da sich die Trickfirma "Digital Domain" und ihr Leiter Mark Stetson in den letzten 15 Jahren weiterentwickelten, sehen wir heute bei einem Blick in die Häuserschluchten nicht einfach nur gähnende Leere wie in Scotts Film, sondern ein phantastisches Leitstrahlsystem mit fliegenden Autoscootern oder eine dieselbetriebene Dschunke, die förmlich von der Leinwand stinkt. Die überraschende Länge dieser Einstellungen ist es, die das Vertrauen der Techniker in die perfektionierte Verbindung von Computeranimation, Miniatur- und Realgroßen -Modellen belegt.
In jeder Szene lauert bei Besson ein aufregender Farbklecks, ein witziges Detail, ein Reprise mit zwerchfellpunktierenden i-Tüpfelchen. Schwächen zeigt die rasante Dramaturgie einzig in dem geradezu offensichtlichen Zugeständnis an die amerikanischen Geldgeber, der überflüssigen Rolle der schwarzen Transe Ruby Rhod alias Chris Tucker, der gerade in amerikanischen Medien gehypt wird und dem Besson einen Rap auf den Tuntenleib schrieb. Modern-poppig und mit seinen gelegentlichen Arhythmen doch mystisch-verspielt klingt der Soundtrack von Bessons Stammkomponisten Eric Serra, der sich auch nicht scheut, Akkordeonklänge französischer Cafes mit arabischer Bauchtanzmusik klassisch zu verstreichen. Auf der CD zum Film finden sich ferner Anwendungen für den Computer, Bilder und Daten zu Design und Machern, der Trailer und eine Microsoft Explorer-Version mit Link zur Internet-Präsentation von THE FIFTH ELEMENT.
Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 6, August 1997
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