Hugo Gernsback - The Amazing Story
von Karin Benzing
Wir kennen sie alle: Captain Kirk und Mr. Spock, die mit Warp 8 durchs Universum brausen; Luke Skywalker, Han Solo und seinen Freund Chewbacca, welche die von Darth Vader gekidnappte Prinzessin Leia befreien; Commander Adama im Kampf gegen die Cylonen und natürlich E.T., den Außerirdischen, der von seinen Kameraden auf der Erde zurückgelassen wurde. Wer aber kennt den Vater all unserer Helden, der das Genre "Science Fiction" erfand und popularisierte? Selbst versierten Insidern ist der Name Hugo Gernsback nicht unbedingt bekannt, möglicherweise, weil er den Terminus "Science Fiction" erst relativ spät für sein Lebenswerk entdeckte.
Der 1904 von Luxemburg nach New York ausgewanderte Gernsback übte viele Berufe aus, war Schriftsteller, Erfinder, Verleger, Wissenschaftler, Prophet, und Rundfunkpionier. In allem, was er tat, in seinem ganzen Auftreten ein Sonderling, bewegte sich Gernsback zeitlebens am Rande der Gesellschaft: Ein hagerer, stets elegant gekleideter Dandy, der sich nie ohne Seidenkrawatte, Anzug, Gamaschen, seinem geliebten Monokel (das er in Wahrheit gar nicht benötigte) und einem Operncape zeigte.
Kommunikation mit dem Mars per Bogenlampe - davon träumte Gernsback
So exzentrisch sein Äußeres, so außergewöhnlich seine Ideen. Gernsback war ein Träumer, ein Visionär, der sich die Traumwelt der Kindheit erhalten hatte. Als Zehnjährigem geriet ihm eher zufällig ein Buch des Astronomen Percival Lowell über die intellektuellen Fähigkeiten der Marsianer in die Hände. Ein einschneidendes Erlebnis: Gernsback verfiel in ein zwei Tage dauerndes Delirium und phantasierte in seinen Fieberträumen von Marsbewohnern und ihren sonderbaren Erfindungen. Noch 1924 träumte er in seinem Artikel "Wie ich mit dem Mars spreche" von 1000 Bogenlampen, die, auf einer Bergspitze aufgestellt, den Marsmenschen mittels Lichtstrahlen Stimmen und Lieder übermitteln sollten.
Die phantastischen Geschichten wurden - neben seinem Faible für die Wissenschaft - zum Mittelpunkt in Hugo Gernsbacks Leben. Bereits 1926 gab er die erste SF-Zeitschrift "Amazing Stories" heraus. Eine Weltpremiere, die bis heute, man denke nur an Steven Spielbergs gleichnamige TV-Reihe, ihre Spuren hinterlassen hat. In der ersten Ausgabe griff Gernsback noch ausschließlich auf Geschichten von Jules Verne, H.G. Wells und Edgar Allan Poe zurück, während er später auch seine eigenen Phantasien zu Papier brachte. Eine ganze Generation von jungen Amerikanern entdeckte ihr Herz für Gernsbacks wunderbare Märchen, die sie in den Weltraum, auf neu kolonialisierte Planeten entführten, wo ihre Helden in ultramodernen Raumschiffen, mit allem nur denkbaren technischen Rüstzeug ausgestattet, gegen die Bösen jeder Welt antraten. Einer jener "Amazing Stories"-Anhänger war Ray Bradbury, der Jahre später mit seinem Buch "Fahrenheit 451" zu Weltruhm gelangte.
"Amazing Stories", so die Auffassung Gernsbacks, sollte nicht nur seine eigene Phantasie oder die seiner Leserschaft zum Blühen bringen, sondern vor allem viele technische Errungenschaften vorwegnehmen und vielleicht sogar mitbewirken. Folglich waren seine Geschichten akribisch, fast wissenschaftlich konzipiert, hat sich Gernsback stundenlang in die Konstruktion von Raketenwerfern und Abschußrampen vertieft, befaßte sich mit Weltraumkrankheiten und der Kleidung von Astronauten. Zum besseren Verständnis ergänzte er seine Geschichten mit Illustrationen; eine davon diente im übrigen als Vorlage zu "Buck Rogers".
In Zeiten, als es kommerziellen Rundfunk noch nicht gab, wurde Gernsbacks "Telimco Wireless", ein Radio zum Hausgebrauch mit unterschiedlichen Einheiten zum Senden und Empfangen, ein Verkaufsschlager. Selbst der Ausbruch des 1. Weltkrieges und das Verbot des Amateurfunkverkehrs konnten den Tatendrang Gernsbacks nicht stoppen. Mit Hilfe einer neuen Verpackung verwandelte er die Radios einfach in elektronische Experimentiersets für Jungs. Der Absatz vervierfachte sich.
Tiefgefroren ins Weltall geschossen zu werden - davon träumte Gernsback
1925 gründete Gernsback seinen eigenen Radiosender WRNY. Tonbandgeräte, Solarzellen, Vorformen des Fernsehens, Faxgeräte, selbst Aluminiumfolie gehörten zu Gernsbacks Alltag ebenso selbstverständlich, wie sie dem damaligen Otto Normalverbraucher noch als Phantastereien eines Spinners erscheinen mußten. So benutzte einer von Gernsbacks Helden einen „parabolischen Wellenreflektor", der heute unter dem Namen Radar bekannt ist. Der britische Physiker Watson-Watt, dem diese Erfindung gemeinhin zugeschrieben wird, soll Hugo Gernsback Ende der 40er Jahre in New York besucht und ihn als eigentlichen Schöpfer des Radars anerkannt haben. Berühmte Wissenschaftler respektieren Gernsbacks Arbeit, Schriftsteller wie Arthur C. Clarke und Isaac Asimov sahen ihn als literarisches Vorbild an.
Die Erfüllung seines größten Traumes erlebte der Missionar in Sachen Fortschritt nicht mehr: Gernsback starb am 17. April 1967, zwei Jahre vor der ersten bemannten Mondlandung. Da er sich bis ins Grab der Wissenschaft verpflichtet fühlte, vermachte er seine sterblichen Überreste einem Krankenhaus, wenngleich er es vorgezogen hätte, tiefgefroren ins All geschossen zu werden. Heute erinnern nur noch die jährlich an die besten SF-Bücher und -Filme vergebenen "Hugo-Awards" an den exzentrischen Herausgeber und Autoren der einst so beliebten "Amazing Stories".
Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 3, November 1996
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