DOOM
Ein Phänomen
von Ivo Scheloske
Man rennt durch lange Gänge aus grünem oder beigem Gestein. Das Licht flackert. Immer wieder tiefdunkle Passagen. Die Luft ist erfüllt von einer Geräuschpalette, die von fahrenden Aufzügen und sich schließenden Türen bis hin zum Grollen, Heulen und Stöhnen definitiv nicht-menschlicher Kreaturen reicht. Die Angst, daß sich hinter dem Rücken wieder eine Geheimtür öffnet und ein neues Monster zum Angriff übergeht, läßt einen nicht zur Ruhe kommen. Kaum biegt man um die nächste Ecke, verursachen die heranfliegenden Feuerbälle stärkste Verbrennungen und Gewehrkugeln zerfetzen den Körper. In der ersten Panik kommt man nicht mehr vom Fleck, dann nie mehr. Tod...
So oder so ähnlich sahen Alpträume aus, die ich vornehmlich an Wochenenden in den frühen Morgenstunden hatte. An Wochenenden deshalb, weil ich mich mehr oder minder erfolgreich dazu gezwungen habe, den Computer nur an Wochenden zum spielen zu benutzen; die Morgenstunden ergaben sich ganz einfach aus der Tatsache, daß ich nicht vor dem Morgengrauen daran dachte, mit dem spielen aufzuhören und somit nie vor 7 oder 8 Uhr in der Früh zum schlafen kam. Jeder, der auch nur irgendwie mit PCs zu tun hat, dürfte mittlerweile wissen, was los war: DOOM-süchtig!
Doch DOOM ist mehr als nur das einfache Shoot'em up-Ballerspiel. Denn so wie mir ging es vielen, eigentlich sogar jedem, der jemals das Vergnügen hatte, DOOM auf seinem Rechner laufen zu haben. Gerüchteweise soll das Spiel ja ganze Firmen lahmgelegt haben, deren Angestellte über das firmeninterne Netzwerk auch während der Arbeitszeit dem blutigen Treiben nachgegangen sein sollen. Blutig war DOOM auf jeden Fall, doch das war nicht der Grund für seine übermäßige Popularität. Von größerer Bedeutung dürfte wohl die extreme Düsternis gewesen sein, die das Spiel ausstrahlte und die bis dahin auch von den Vorgänger-Spielen wie WOLFENSTEIN 3D, ABYSS und CATACOMB, aber auch von seinem Nachfolger DOOM II, nicht erreicht wurde. Erzeugt wurde sie durch eine für diese Art Computerspiel stark realistische Umgebung. Labyrinthartige Level, deren Gänge endlich mal nicht nur im 90°-Winkel verliefen, eine große Auswahl an Wandtexturen, die für Abwechslung im Landschaftsbild sorgten. Licht- und Schatteneffekte, eine riesige Palette an Geräuscheffekten, sowie die in den richtigen Höhen- und Längenmaßen berechnete 3D-Umgebung machten es dem Spieler zusammen mit der POV-Perspektive einfach, sich in das Geschehen hineinzuversetzen. Manchmal sogar so tief hinein, daß der Spieler vor dem Monitor versucht, den heranfliegenden Feuerbällen der Imps auszuweichen oder sich aber verzweifelt abmüht, durch schmale Wandschlitze bzw. Schießscharten einen Blick in einen anderen Raum zu werfen.
Durch diese starke Popularität entstand natürlich eine starke Nachfrage nach weiteren Abenteuern mit den DOOM-Kreaturen, die auch schon bald von Spielern aus der ganzen Welt befriedigt werden sollte, indem Zusatzlevel programmiert wurden, deren Anzahl mittlerweile in die Tausende geht. Den Anfang machte die Firma Cobra Computing Ltd. aus der englischen Grafschaft Kent, die zuerst noch auf Diskette, kurze Zeit später nur noch auf CD Compilations veröffentlichte, die einerseits Tausende von Zusatzleveln enthielten, zum anderen aber auch Patches, neue Grafiken, Sounds und natürlich diverse Level-Editoren, damit noch mehr Hobby-Programmierer ihre ganz eigenen Level kreieren konnten.
Waren am Anfang die Zusatzlevel nur Variationen der bereits von id vorgegebenen Level, die sich nur in den Grundrissen voneinander unterschieden, kamen die Fans schon bald dahinter, wie man auch die Grundlagen abänderte. Der Phantasie waren nun keine Grenzen mehr gesetzt. Bald schon waren auf den Wandreliefs keine Dämonenfratzen mehr zu sehen, sondern mehr oder weniger erheiternde Pornoszenen, Karikaturen berühmter Persönlichkeiten oder auch die schon aus WOLFENSTEIN bekannten Hakenkreuze.
Dann kamen die Monster an die Reihe. Zuerst waren es nur kleinste Veränderung, wie z.B. sich bewegende Fässer, die gorillaartigen Dämonen waren mit einem Mal nicht mehr an den Boden gebunden, sondern konnten auch in der Luft herumlaufen, etc. Schließlich trat der Spieler nicht mehr gegen gewohnte Gestalten an. Plötzlich trieben sich nämlich Gigers Aliens, James Bond, Präsident Clinton oder auch irgendwelche obskuren Clowns in den Gängen herum. There were no rules...
Der auf Lösungsbücher für Computerspiele spzialisierte Verlag Prima Publishing besorgte sich 1994 die Rechte an ids Spiel und veröffentlichte noch im selben Jahr das DOOM BATTLEBOOK für all diejenigen, die es schon immer wurmte, daß sie nicht jedes Secret gefunden hatten, frustriert vor einem übermächtigen Gegner kapitulieren mußten oder einfach nur wissen wollten (rein statistisch), wieviel Munition von jeder Waffe man braucht, um diesen oder jenen Gegner in die ewigen Jagdgründe zu schicken. 1994 neigte sich dem Ende entgegen. In der Gerüchteküche hatte es schon eine ganze Weile gebrodelt, und nun sollten sich alle Gerüchte bewahrheiten: DOOM II: HELL ON EARTH stand in den Läden und fand natürlich reißenden Absatz.
Da das Spiel aber bis auf ein paar neue Monster und einer neuen Waffe keine grundlegenden Veränderungen zu bieten hatte, hielt der Boom (sic!) nicht lange an, obwohl auch diesmal wieder zigtausende von Zusatzleveln produziert wurden, die mittlerweile auch über das Internet zu haben waren. Auch die Indizierung des Spiels ließ diesmal - dank der eindeutigen Anzeigenkampagne - nicht mehr so lange auf sich warten wie beim Vorgänger. Dabei hatte der hiesige Vertrieb schon wohlweislich alle Zusatzlevel, die in der berüchtigten WOLFENSTEIN-Umgebung spielen, aus der deutschen Version entfernt.
Auch Prima's Spielehilfe, sinnigerweise SURVIVAL GUIDE genannt, fiel diesmal erheblich kleiner aus - sowohl, was das Format angeht als auch von der Seitenzahl her. War DOOM nun endgültig doomed? In Amerika war man zu diesem Zeitpunkt schon fleißig dabei, den Hype neu anzufachen. Dies hatte zwei Gründe: Zum ersten gab man bei id zu, über ein DOOM-Film Projekt nachgedacht zu haben, zum zweiten wurde mittlerweile ein ganzer Stapel von Romanen zu vorhandenen Computerspielen auf den Markt geworfen, darunter Titel wie HELL, THE 7th GUEST (in deutsch bei Goldmann erschienen) oder auch THE PANDORA DIREKTIVE (hier übrigens lange bevor das Spiel dazu auf dem Markt kam). Bei Pocket Books, wo man sich die Rechte für die DOOM-Stories gesichert hatte, dachte man aber gar nicht daran, nur eine Story zum eigentlichen Spiel zu entwerfen, sondern es wurde ein eigenes DOOM-Universum geschaffen, in dem man eine Space-Opera entwickeln wollte. Mittlerweile hat es Pocket Books auf vier Bände gebracht, mit einer Fortsetzungsgeschichte komplett aus der Feder des Autorengespanns Dafyddab Hugh und Brad Linaweaver.
In ihr lernt der Leser den toughen Helden der Geschichten, Sergeant Flynn "Fly" Taggart, kennen und bekommt so manche Frage beantwortet, die sich beim Spielen ergeben haben könnte. Man erfährt z.B. endlich den Grund für das recht sinnlos erscheinende Hakenkreuz, das von einer Computerkonsole gebildet wird. Auch eine Erklärung für das ganz spezifische Aussehen der einzelnen Monster wird geliefert. Der erste Band behandelt eigentlich komplett die Geschichte aus dem Original-Spiel, während sich Band 2 nur noch zu Beginn am Sequel orientiert, um sich dann in eine wohlbekannte (V, INDEPENDENCE DAY, etc.), aber doch immer wieder schön zu lesende Widerstandsstory zu verwandeln. Ein kleiner Teil der Menschheit hat den atomaren Angriff der Invasoren überlebt und versucht nun einerseits ein globales Netz zur Verständigung mit anderen Überlebenden aufzubauen, andererseits eine Waffe zu finden, mit der man den Invasoren gehörig in den Arsch treten kann. In dieses Szenario platzt unser Held Taggart und wird zum Auslöser dafür, daß sich endlich ein Team von Widerstandskämpfern auf den Weg zur größten noch bestehenden Militärbasis auf Hawaii aufmacht - mit ihm als Führer. Unterwegs macht die Gruppe Bekanntschaft mit neuen Monstern und muß zu ihrem Erschrecken feststellen, daß einige Menschen tatsächlich auf die Seite der Invasoren gewechselt sind.
In Band 3 hat es die Gruppe - wenn auch mit schweren Verlusten - geschafft, Hawaii zu erreichen. Dort ist man mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt, daß die einzige Möglichkeit, ernsthaft etwas gegen die Invasoren ausrichten zu können, in der Erforschung der Sternentore liegt, durch die die Invasoren gekommen sind. Weiter möchte ich die Handlung nicht verraten, denn bis einschließlich Band 3 ist die Handlung spannend und actionreich erzählt, immer wieder garniert mit einigen sehr gorigen Details. Erst die Auflösung in Band 4 ließ (zumindest bei mir) etwas Enttäuschung aufkommen. Doch das muß wohl jeder für sich selber entscheiden. Mal sehen, wieviele Bände noch erscheinen werden.
Inzwischen pfeifen es ja die Spatzen von den Dächern: Das DOOM-Filmprojekt ist mit Ivan Reitmann auf dem Regie-Stuhl und mit Dean Lorey als Drehbuchautor in der Vorproduktions-Phase. Gedreht wird für den Hollywood-Major Universal, was natürlich berechtigte Zweifel an dem für den Film nötigen Blutgehalt aufkommen läßt. Näheres dazu in der nächsten Ausgabe von SPOOKIE.
Literaturhinweis:
Hilfen:
- "DOOM Battlebook" von Rick Barba, ISBN 1-55958-651-6
- "DOOM II Survival Guide" von Ed DilleISBN 1-56893-245-6
Beide Bücher sind im Verlag Prima Publishing erschienen.
Romane:
- N91: "Knee Deep in the Dead", ISBN 0-6/1-52555-7
- N92: "Hell on Earth", ISBN O-671-52562-X
- N93: "Infernal Sky", ISBN 0-671-52563-8
- N94: "Endgame", ISBN 0-6/1-52566-2
Sämtliche Romane sind im Verlag Pocket Books erschienen.
Artikel:
- "Doom",von hu, erschienen in VIDEO GAMES Nr.1/95, Magna Media-Verlag, Haar bei München
Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 3, November 1996
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