Chris Young

Life after Hellraiser

Ein Portrait des Filmkomponisten Christopher Young

von Torsten Michael

Christopher Young gehört seit nunmehr 15 Jahren zu den interessantesten Jungkomponisten unserer Zeit. Seine Fähigkeit, sich den Bedingungen selbst schwieriger Produktionen unterzuordnen und auch dann noch zum Teil aufregende Musik zu schreiben, ist beachtenswert.

Geboren wurde Young am 28. April 1957 in Red Bank. New Jersey. Er begann sein musikalisches Leben als Jazz-Schlagzeuger in seiner Jugend. Später, nach einigen Anlaufschwierigkeiten, begann er ein Studium an der UCLA unter der Leitung von David Raksin, einem angesehenen Komponisten des "Golden Age". Wie auch im Falle von James Homer waren es die kleineren Studentenfilme und Beziehungen zu anderen Studenten, die den weiteren Weg Youngs bestimmen sollten. Durch einen Zufall war einer seiner Kommilitonen an Roger Cormans "New World Pictures" geraten und arbeitete dort. Dieser junge Mann namens Tony Randal (Regisseur von TICKS) verschaffte Christopher Young einen Vertrag für eine Serie von Filmen. Young verschwand nun für lange Zeit in der Versenkung von merkwürdigen B-Pictures. Erst mit der Veröffentlichung von NIGHTMARE ON ELM STREET 2 und HELLRAISER war ihm die Aufmerksamkeit der Filmmusikhörer und -kritiker sicher. Sein Score zu letzterem Film erwies sich als derart erfolgreich, daß er heute bereits als Vorbild für andere Komponisten gilt (u.a. für Daniel Licht im Film CHILDREN OF THE NIGHT und Randy Millers HELLRAISER III).

Mit HELLRAISER avancierte der frühere Goldsmith-Epigone Young selbst zum Vorbild

Obwohl sein großes filmmusikalisches Vorbild unbestritten Jerry Goldsmith ist, schaffte es Young nach seinen größeren Erfolgen Ende der 80er Jahre von dem Klischee, nur ein weiterer Nachahmer Goldsmiths zu sein, wegzukommen. Vielmehr ist sein musikalischer Output mittlerweile sehr vielschichtig geworden. Einerseits waren seine orchestralen Scores gerade zu Beginn seiner Karriere ein Beweis dafür, wie gut Goldsmith sein konnte, andererseits machten ihn gerade seine avantgardistischen Musiken berühmt und berüchtigt. Der zu Unrecht mißachtete Film HAUNTED SUMMER, der die Geschichte um Lord Byron (GOTHIC) zum Thema hat, gab ihm die Möglichkeit, einen der schönsten und romantischsten New-Age-Scores des Jahrzehnts zu schreiben.

Im Gegensatz zu seinen orchestralen Bombastmusiken entwickelt er mit Synthesizern und Soloinstrumenten einen sehr gefühlvollen Score, der die Naivität und Jugendlichkeit der Protagonisten unterstützt. Gleichzeitig bot ihm der Film auch die erste Gelegenheit, seine "Soundcollagen" zu entwickeln. Diese bestehen hauptsächlich aus elektronisch manipulierten Klängen, die leider nicht mehr als einen rhythmischen Zusammenhang haben. Diese Avantgarde- Technik der "musique concrete" verwendete Young auch für Filme wie DARK HALF, THE VAGRANT und INVADERS FROM MARS. Sie sind mit Sicherheit gewöhnungsbedürftig und dürften nicht jedem Geschmack zusagen. Dennoch bilden sie gegenüber den "normalen" Filmmusiken eine erfrischende Ausnahme (es sollte allerdings auch eine Ausnahme bleiben).

Obwohl Youngs größte Erfolge im Horror-Genre lagen, gab es für ihn auch die Möglichkeit, andere Stile auszuprobieren. AMERICAN HARVEST, ein Movie-of-the-Week, enthält eine wunderschöne Americana-Musik im Stile von Aaron Copland. BAT-21, LAST FLIGHT OUT, RAPID FIRE enthalten spannendes Rhythmusmaterial mit asiatischem Kolorit für Synthesizer und Orchester. BRIGHT ANGEL und SPARKLE ROAD sind Synthie-Scores, die durch ihre leichtere, poppige Art zu gefallen wissen.

Innerhalb der 90er Jahre gerieten Youngs Musiken etwas reifer und nicht mehr so experimental. Dies tat seiner Karriere aber keinen Abbruch, im Gegenteil. Aufsehen erregte sein Score zu JENNIFER 8, einem Thriller, bei dem Young die Musik des Komponisten Maurice Jarre in kurzer Zeit ersetzen mußte. Die Musik im Stile von John Williams PRESUMED INNOCENT gehört zu seinen interessantesten Arbeiten. Seine vielleicht spannendste und schönste Chor/Orchestermusik komponierte Young jedoch im letzten Jahr für MURDER IN THE FIRST - für mich das Musikereignis des Jahres '95. Vorbei scheinen die Zeiten von HELLRAISER und BAT-21 zu sein. Man darf gespannt sein, welche Überraschungen dieser nicht mehr ganz so junge Komponist uns noch bieten wird.

CD-Empfehlungen:

  • HAUNTED SUMMER, Silva Screen FILM CD 037
  • DEF-CON 4 & OTHERS, (Sampler mit 4 Filmmusiken), lntrada MAF7010D
  • MURDER IN THE FIRST, La Bande Son LBS 10 950101
  • JENNIFER 8, Milan/RCA 07863 66120-2

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 1, April 1996